Xmas Partey

Xmas Partey (Staffel 3 / Folge 55)

Die Folge beginnt mit einem musikuntermalten Zoom auf die winterlich verschneite Stadt. Der Zoom endet bei Ricks Haus und blendet dann nach drinnen. Dort sehen wir zuerst einige leere Räume im großen Haus, bevor die Kamera Rick "findet". Als sie ihn gefunden hat, sehen wir eine weiterhin musikuntermalte Montage von Szenen:

- Rick packt etwas niedergeschlagen den künstlichen Weihnachtsbaum aus und verheddert sich in der Folie.
- Rick versucht sich im Plätzchenbacken. Als nächstes sehen wir dicke Qualmwolken aus der Küche quellen.
- Rick verabschiedet sich von den Feuerwehrleuten ("Bis zum nächsten Jahr, Jungs...")
- Rick hakt "Feuerwehr" auf seiner Gästeliste für Weihnachten ab. Der einzige andere Name auf der Liste ist "Mel Brooks".
- Rick blättert traurig in Fotoalben aus früheren Zeiten.
- Rick sitzt auf dem Dach und wirft mit Schneebällen auf Zugvögel und Passanten.

Nach der Montage (Musik klingt aus) sehen wir Rick, der nun auf der Couch im Wohnzimmer lümmelt und sichtlich gelangweilt das flackernde Fernsehbild betrachtet. Wir hören von dort nur den Ton.

Stimme: "...und daher versuchen wir von Christmas Inc. America dieses Jahr, das Vertrauen der Bürger wieder zu gewinnen..."

Man hört lauten Jubel einer größeren Menschenmenge. Rick verdreht die Augen und schüttelt den Kopf. Er schaltet um.

Ansager: [laut] "Kaufen Sie jetzt exklusiv zum Fest - Fluch der Karibik IV: Piraten am Nordpol..."

Stimme 1: [erschrocken] "Oh nein. Captain Jack Sparrow hat den Schlitten vom Weihnachtsmann gestohlen..."

Man hört Hufe und Glöckchengebimmel.

Stimme 2: "Ho Ho Ho. Schnappt euch die Piraten, meine Elfen..."

Man hört Kampfgeräusche im Stil der 60er-Jahre-Batman-Serie.

Rick: [resignierend] "Ich mochte Teil 1..."

Ansager: "Sehen sie auch Michael Bay´s Charles Dicken´s Weihnachtsgeschichte - featuring Martin Lawrence als Tiny Tim..."

Stimme: [hektisch] "Yo, Ebeneza-Man. Wassup? Wanna sip from my brand-new Pepsi?"

Rick schaltet den Fernseher gelangweilt ab und steht von der Couch auf.

Er geht zum Anrufbeantworter. Das Display zeigt eine Nachricht. Rick spielt die Nachricht ab.

Ricks Bruder: [vom Anrufbeantworter] "Hey, kleiner Bruder. Wie läuft es so bei dir? Ich und meine Freunde haben hier jede Menge Spaß. Toller Schnee." [Pause] "Äh. Was ich noch sagen wollte..." [Pause, Gekicher im Hintergrund] "Hey...Leute, der Teppich war teuer. Etwas Vorsicht, ja?" [Pause] "Also...wie gesagt...äh...ich wünsch dir fröhliche Weihna..." [Biep].

Rick blickt etwas traurig auf den Anrufbeantworter. Er schaltet ihn aus und geht aus dem Bild.

Die Szene wechselt in die Küche. Der Qualm hat sich verzogen und Rick nimmt sich ein Glas Milch aus dem Kühlschrank. Er schaltet beiläufig beim Trinken das kleine Radio auf der Anrichte an. Es läuft gerade die Hitantenne Bruchbach:

Moderator: [fröhlich] "Und nun spielen wir auf vielfachen Wunsch wieder einmal Last Christmas von W...."

Dramatische Musik klingt an, die Szenerie wird kurz in ein rotes Licht getaucht und Rick sprintet hektisch zum Radio. Er wechselt in letzter Sekunde den Sender zum beliebten Lokalradio mit Moderator Randolf. Dort wird von Randolf gerade ein Werbespot angekündigt, dann hören wir aus dem Radio Trommelwirbel und eine Fanfare, sowie einen pompös wirkenden Sprecher:

Stimme: [mit Echo-Effekt] "Kommt alle zur großen X-Mas Partey heute im neuen Funzentrum Party H.Q. [eytsch-kjuh]..."

Die Werbung erregt Ricks Aufmerksamkeit. Er setzt sich an den Tisch und hört zu.

Stimme: "Unser DJ Herodes ruft auf zu einer Volkszählung. Alle hippen Leute im Landkreis sind angewiesen, zu kommen, um sich hier zur coolsten Disco-Familie zählen zu lassen." [Echo-Effekt, leicht drohend] "Seid dort oder ihr gehört nicht dazu..."

Rick springt auf.

Stimme: [Echo] "Nur heute. Nur live. Im Party-Zentrum der Region..." [normale Stimme] "Alte Bruchbacher Landstraße abzweigen in den Ödfeldweg, dann 7 km bis zur Rindertränke, dann 4 km links..." [kewle Stimme, Echo]"Party-H.Q..."

Rick: [wiederholt freudig] "Party-H.Q..." [Pause] "Sollte dies meine Bestimmung am heutigen Tag sein...?"

Wir hören leise "Halleluja"-Musik, als sich ein entrücktes Lächeln auf Ricks Gesicht abzeichnet. Von der rechten Seite her scheint plötzlich "mystisches" Licht ins Bild und beleuchtet Rick. Als die Kamera nach drüben fährt, sehen wir jedoch, daß er nur die Tür vom Kühlschrank offengelassen hat und das "überirdische" Licht daher stammt. Rick knallt etwas verdutzt die Kühlschranktür zu und die sphärische Musik hört abrupt auf.

Die Szene wechselt zu einer Montage von Szenen, in der Rick in verschiedenen Schränken, Schubladen und Geheimverstecken nach etwas sucht - und allerlei obskure Dinge zutage fördert. Die Szene wechselt in den Garten, wo er versucht, Löcher in den gefrorenen Boden zu graben - mit wenig Erfolg. Szenenwechsel zurück ins Haus: Rick zuckt im Wohnzimmer mit den Schultern.

Rick: [zu sich selbst] "Stellen wir uns den Tatsachen: es ist Heiliger Abend - und ich bin absolut Pleite..."

Er krempelt seine fast leeren Taschen von innen nach außen. Ein paar Münzen Kleingeld rieseln heraus - die aber nicht mal für den Bus nach draußen in das "Party-Zentrum der Region" reichen. Rick hat eine bessere Idee.

Rick: "Ich werde auf dem Weg einfach ein paar Leute besuchen. Und der Glücklichste davon darf mir Geld leihen..." [Pause]  "Es ist schließlich Weihnachten - also ist die Welt voll mit glücklichen Leuten..."

Er zieht seine Jacke an und verläßt das Haus.

[Ende 1. Akt]


Die Szene wechselt zu Rick, der vor Mikes Haus ankommt. Zahlreiche Autos parken in der Auffahrt. Nachdem Rick geklingelt hat, öffnet Mikes Vater in etwas schlecht sitzender Festtagskleidung und mit Bierflasche in der Hand.

Rick: "Ist Mike zufällig da?"

Mikes Vater: [dreht sich um, laut] "Mike. Es ist dein bescheuerter Freund Nick..."

Rick: [korrigiert] "Rick...ganz einfach zu merken. Wie in...Heiliger Rickolaus."

Mikes Vater: [murmelt unverständlich]

Das Wohnzimmer der Kellers ist überfüllt mit irgendwelchen Familienmitgliedern und quäkenden Kindern. Mikes Mutter schmückt im Hintergrund den Baum. Irgendwo versucht sich jemand an einer quäkenden Blockflötenversion von "Stille Nacht". Mike ist nicht gerade begeistert über Ricks Besuch.

Mike: "Ich kann jetzt nicht weg - Familienweihnachten. Du verstehst..."

Rick: [blickt sich um] "Habt ihr schon nachmittags Bescherung oder was soll der Aufstand?"

Mike: "Nein. Aber meine Großeltern sind gekommen und Onkel Hubert und Tante Terese und meine beiden Cousins und..."

Rick: "Hey. Für die beiden Jungs haben wir doch früher immer Babysitter gespielt. Ob sie ihren Onkel Rick noch kennen?"

Zwei kleine Kinder kommen aus der Küche. Als sie Rick sehen, brechen sie synchron in Kevin-esques Schreien aus und rennen panisch wieder aus dem Raum.

Jungen [schreien synchron] "Aaaaaah. Der böse Mann mit dem Raketenwerfer..."

Rick: [emotional bewegt] "Oooh, wie nett. Sie erinnern sich..."

Im Hintergrund macht sich Mikes Vater an der Aufstellung der Krippenfiguren zu schaffen.

Mikes Vater: [mit Lineal] "Die Figur des Heiligen Josef steht immer exakt 3 1/2 Zentimeter neben der Heiligen Maria. Dafür sind diese Markierungen auf dem Brett doch da..."

Mikes Mutter zieht eine Art staubigen Stern für die Baumspitze aus einer ausgebleichten Schachtel.

Mutter: "Können wir denn nicht auch mal neuen Baumschmuck benutzen?"

Vater: [kategorisch] "Das ist Tradition. Meine Eltern hatten diesen Baumschmuck und vor ihnen meine Großeltern. Dieser Schmuck gehört zu einem christlichen Weihnachtsfest in unserem Haus. Basta..."

Mikes Mutter zuckt resignierend mit der Schulter und steckt den Schmuck auf die Spitze des Baumes.

Wir sehen, daß es kein Stern, sondern ein Sonnenrad ist, unter dem zwei kleine Äxte montiert sind. Die Aufschrift sagt:

Frohes Julfest 1938

Das Blockflötengequäke geht wieder los. Mike gibt Rick ein Handzeichen und die beiden gehen in die Küche. Mike deutet auf ein arg abstraktes Eisbomben-Konstrukt, das tropfend und schon jetzt mit merklicher Schräglage auf dem Tisch steht.

Mike: [deutet] "Weißt du - Weihnachten in meiner Familie ist wie die traditionelle Kirsch-Eisbombe..."

Rick: [skeptisch] "Mit Ablaufdatum vom Sommerschlußverkauf?"

Mike: "Nein..." [Pause] "Von außen hübsch, sehr kalt und man darf nichts anfassen, bevor der exakte Zeitpunkt gekommen ist..."

Aus dem Wohnzimmer hört man wütenden Tumult. Mike geht nach draußen und läßt Rick allein in der Küche zurück. Dieser macht sich nach kurzem Achselzucken an der Eisbombe zu schaffen und klaut sich eine Kirsche - mit dem Resultat, daß das Dessert noch mehr in die Schräglage rutscht. Rick versucht die Eisbombe in einigen slapstickhaften Szenen abzustützen, aber diese senkt sich mit jedem seiner Schritt immer mehr nach rechts. Schließlich kann er sie mit einem Vogelhäuschen von vor dem Fenster als Stütze halbwegs stabilisieren. Unschuldig pfeifend schlendert er zurück ins Wohnzimmer.

Mike: [versucht Rick zur Tür zu bugsieren] "Kann ich sonst noch...irgendwas für dich tun?"

Rick: [nickt] "Jetzt wo du es erwähnst..."

Er holt mir einer weiten Geste aus, um seinen Wunsch nach Bargeld vorzubringen. Dabei fliegt ein Klatsch halbgetauter Sahne von der Eisbombe von seinem Finger und platscht direkt in die Krippenfiguren.

Mikes Vater: [entsetzt] "Mein Melchior...mit Kirschsahne."

Es herrscht plötzlich eisiges Schweigen, auch das Blockflötenspiel hat aufgehört. Alle starren Rick an.

Rick: "Uppsi. Tschuldigung..."

Er schleckt seine Finger hastig ab. Aus der Küche ist ein platschendes Geräusch auf dem Fußboden zu hören.

Alle blicken synchron in Richtung Küchentür, dann synchron wieder zurück zu Rick. Der ist plötzlich verschwunden, dafür klappert die Haustür halb offen im Wind.


Die Szene wechselt zu Rick, der nun bei den Dahls an der Haustür klingelt. Martin öffnet die Tür - an seinem Gesichtsausdruck ist zu sehen, daß Rick nicht unbedingt zum passenden Zeitpunkt kommt. Dieser drängt sich trotzdem vorbei nach drinnen.

Rick reibt sich die Hände und versucht damit vorzugeben, daß er sich nur mal aufwärmen will.

Rick: "Puh...es wird ziemlich kühl draußen. Soll Schnee geben..."

Martin: [schnauft] "Alle reden vom Wetter - wir nicht..." [er deutet] "Wir haben andere Probleme..."

Sie gehen in das Wohnzimmer. Dort liegen verschiedene Teile und Baumschmuck auf dem Boden verteilt herum. Der Baum steht mit merklicher Schräglage halb geschmückt in einer Ecke. Alex ist gerade dabei, Baumschmuck aus Kisten zu nehmen und diesen zum Fenster raus zu werfen.

Martin: [entschuldigend] "Alex ist heute etwas...mißgestimmt."

Sie unterbricht ihre Tätigkeit kurz, als sie Rick bemerkt.

Alex: [beiläufig] "Hallo Rick. Auf Wiedersehen, Rick..."

Rick: [zu Martin] "Also mir fällt nichts auf. Die selbe freudige Begrüßung wie immer..."

Er setzt sich auf die Couch, während Alex die Engelsfigur der Baumspitze hervorkramt und hochhält.

Alex: "Religion ist Opium für das Volk..."

Rick: [grinst] "Dann ist Weihnachten wohl Muskatnuss, eh?"

Alex und Martin sehen ihn verärgert an.

Rick: [zögerlich] "Habt ihr vielleicht Muskatnuss im Haus?" [Pause] "...oder Opium?"

Er versteckt sich demonstrativ hinter einer Zeitung und die beiden diskutieren kurz weiter. Dann läuft Alex nach draußen in die Küche. Martin setzt sich kopfschüttelnd neben Rick und beginnt eine Erklärung.

Martin: "Ich habe versucht, mich in ihre Wünsche reinzudenken." [enttäuscht] "Es hat wieder nicht geklappt..."

Rick: [nickt] "Jepp, das kenne ich." [Pause] "Man kann machen, was man will, die Frau ist einfach nie zufrieden..."

Die Szene wechselt kurz zu einer Erinnerung von Rick bzw. zu einer Rückblende in den Sommer. Rick, Alex und Mike bereiten sich gerade darauf vor, zu einer Demonstration zu gehen. Rick faltet im Vordergrund gutgelaunt ein Transparent.

Alex: "Ich bin erstaunt über deinen Enthusiasmus für die gerechte Sache..."

Rick: [leicht erstaunt] "Ich auch..."

Rick wirft das Transparent zur Seite.

Rick "Und ich hab auch schon genau das richtige Werkzeug, um die Staatsmacht so richtig zu schocken" [präsentiert] "Tatatata...."

Er zieht einen zusammengerollten Teppich aus einer Ecke. An dem Teppich hängt ein Schild mit der simplen Aufschrift "HURRA".

Alex: "Und was genau ist das?"

Rick: [schüttelt Kopf] "Muß man euch alles erklären?" [Pause] "Das ist ein Jubelperser..."

Alex wendet sich kopfschüttelnd ab.

Mike: [freudig] "Cool..." [dann unsicher] "Versteh ich nicht..."

Alex: [verdreht Augen] "Rick auch nicht..."

Die Szene blendet zurück in die weihnachtliche Gegenwart.

Martin: "Ich wollte Alex dieses Jahr mit ein paar Familientraditionen überraschen, die wir lange nicht mehr hatten. Aber ich glaube, der Versuch ging irgendwie nach hinten los..."

Rick: "Was hat sie denn?"

Martin: [nachdenklich] "Ach, du weißt doch...tief drin ist sie ein sehr, sehr sensibles Mädchen..."

Unter wütendem Geschnatter aus der Küche fliegen mehrere Dekorationsteile aus dem Fenster nach draußen. Ein metallener Weihnachtsteller fliegt rotierend wie ein Frisbee und köpft eine Weihnachtsmannfigur aus Plastik auf dem Rasen.

Rick: [wenig überzeugt] "Ja. Ich sehe, was du meinst..."

Martin: "Es geht weniger um die Tradition, es geht um den Schmerz. An den Feiertagen vermisst sie ihre Mutter." [leise] "Ich auch..." [Pause] "Und genau wie ich verbindet Alex mit dem Fest soviele Erinnerungen."

Rick: [amüsiert] "Ihr Leute habt immer so lustige Probleme..." [Pause] "Ich meine...sieh mich an. Ich vermisse meine Eltern auch. Und der Rest meiner Familie ist...uninteressant. Aber habe ich deswegen ein Problem?" [Pause] "Okay. Ich laufe am Heiligen Abend in schäbigen Klamotten rum und versuche jemanden anzupumpen, um den Rest des Abends dann in der Gesellschaft wildfremder Partyleute zu verbringen, weil es mir das Radio so gesagt hat..." [Pause] "Aber ansonsten geht es mir gut..."

Martin: [wenig erfreut] "Du versuchst jemanden anzupumpen?"

Die Szene wechselt abrupt zu einer Außenansicht vor dem Haus. Die Tür schließt sich gerade hinter Rick.

Rick: [laut] "Okay. Sagt mir ruhig, wenn ich ungelegen komme, ja?"

Er holt das Kleingeld aus seiner Tasche, wirft einen kritischen Blick darauf und geht dann nach links aus dem Bild

Die Szene wechselt ins Haus. Alex hält ein mit Schleife verpacktes Päckchen hoch, das sie in einem Schrank gefunden hat.

Alex: "Und was ist das hier? Wollten wir nicht auf dieses bürgerliche Geschenkeverteilen verzichten?"

Martin: "Das ist..."

Alex: [ärgerlich] "Weg damit..."

Sie schüttelt das Paket demonstrativ und dadurch öffnet es sich an der Unterseite. Ein weiteres Paket fällt heraus und auf den Boden. Im Paket klirrt es leise. Martin will es aufheben, aber Alex ist schneller und sieht es sich an. An der Seite des mit buntem Papier gepackten Pakets hängt ein kleiner Zettel mit der Aufschrift:

Manchmal liegen die wahren Bedeutungen tiefer...

Sie reisst nach kurzem Zögern eine Schicht des etwas kitschigen Weihnachtspapiers weg. Darunter kommt eine zweite Schicht zum Vorschein, und dann noch eine. Nach der dritten Schicht von Papier mit Bärchen und Bäumchen kommt eine letzte Schicht aus normalem Packpapier. Als Alex auch diese entfernt...

...findet sie ein altes Bild, das die Familie Dahl an Weihnachten zeigt. Alex ist etwa 5 oder 6 Jahre alt, auch ihre Mutter ist mit auf dem Bild und überreicht ihr gerade ein Buch. Alle lächeln in die Kamera, die kleine Alex winkt auch. Die Glasscheibe des Bildes ist durch den Fall gebrochen.

Martin: [vorsichtig] "Familie hat viele Bedeutungen..." [Pause] "Dreh es um..."

Als Alex das Bild umdreht, findet sie auf der Rückseite des Rahmens einen Zeitungsausschnitt der lokalen Zeitung. Sie faltet den Ausschnitt auf - auf dem Bild sehen wir sie, Rick und Mike auf der Bühne vom Weihnachtsmarkt im letzten Jahr. Die Drei sehen nicht besonders glücklich aus, Mike duckt sich gerade, um einem geworfenen Gegenstand auszuweichen.

Die Schlagzeile lautet:

Sie tut es schon wieder - Eklat beim Weihnachtsmarkt.

Alex wischt sich eine Träne aus dem Auge und umarmt dann ihren Vater an. Die Szene blendet nach einigen Sekunden aus.


Die Szene wechselt zu Rick, der im Geschäftsviertel der Stadt ankommt. Hier herrscht noch immer Trubel und die Leute sind hektisch bei ihren letzten Weihnachtseinkäufen. Er bemerkt Klaus, der ihm auf dem Bürgersteig entgegenkommt und grüßt ihn.

Rick: [erstaunt] "Was führt dich denn in diesen Einkaufstrubel des 21. Jahrhunderts?"

Klaus: "Ich will mir nur schnell einen Ersatz für das hier kaufen..."

Er hält einen Gegenstand aus Plastik hoch.

Rick: "Wow. Ein..." [Pause] "..ein..." [längere Pause, dann ratend] "...kleines Ding...von früher..."

Klaus: "Das ist das Farbband für meinen Nadeldrucker. Ich brauche mal wieder ein Ersatzband aus den Computerläden..."

Wir hören kurz Ricks Gedanken.

Ricks Gedanken: "Bei Einkäufen fällt oft Wechselgeld an. Wechselgeld für arme Leute? Hmmmm...."

Rick: [zu Klaus] "Was dagegen, wenn ich dich etwas begleite?"

Klaus: [leicht überrascht] "Nein..." [Pause] "Ich freue mich ja immer, wenn Leute Interesse an echter Technik zeigen."

Rick und Klaus gehen in das erste Geschäft. Wir sehen im Hintergrund verschiedene schräge Werbeschilder. Ein Banner über dem Eingang des Ladens sagt:

Consumo, Ergo Sum...

Rick begleitet Klaus eine Weile durch die Geschäfte, in denen dieser auf der Suche nach einem Farbband für seinen Nadeldrucker ist. Wir sehen eine musikuntermalte Montage (Musik aus dem "Nussknacker") von verschiedenen Verkäufern - manche starren nur leer, andere brechen in lautes Gelächter aus und reichen die "Anfrage" an ihre Kollegen weiter, die es ebenfalls amüsiert.

Am Ende der Montage stehen Rick und Klaus wieder an einem Verkaufsschalter, an dem sie ausgelacht werden. Rick wird die Sache langsam doch deutlich unangenehm.

Rick: "Tja, das war wohl der letzte Laden..." [leise] "...zum Glück."

Klaus: [nickt] "Scheint so..."

Sie schlendern davon, während im Hintergrund weiter gelacht wird. Klaus pfeift ein Weihnachtslied.

Rick: "Warum so gut gelaunt? Du hast dein Farbband doch nirgends bekommen?"

Klaus: "Wie? Ach, das macht nichts. Ich habe bei mir daheim mindestens 3 Kisten voll mit passenden Farbbändern..."

Rick bleibt ruckartig stehen.

Rick: [erstaunt] "Was zum...? Wieso haben wir uns dann in den letzten 8 Geschäften von allen Verkäufern auslachen lassen?"

Klaus blickt sich um - auf die gehetzt wirkenden Leute im Laden und dann auf die immer noch amüsierten Verkäufer.

Klaus: [achselzuckend] "Ich sehe an den Feiertagen eben gerne fröhliche Menschen..."

Er schlendert gutgelaunt aus dem Bild. Rick bleibt zuerst einige Sekunden verdutzt stehen, dann läuft er Klaus nach.

Rick: "Wart mal. Wenn du nichts kaufen willst, kannst du mir doch etwas Geld leihen..."

Klaus: [erstaunt] "Welches Geld? Ich hab kein Geld bei mir..."

Er verlässt leise pfeifend den Laden und schlendert nach links aus dem Bild.


Die Szene wechselt wieder. Rick läuft die Straße entlang.

Rick: [zu sich selbst] "Es muß doch jemanden geben, der armen Leuten wie mir heute aushelfen kann..."

Rick bleibt plötzlich abrupt stehen und öffnet die Augen weit.

Rick: [laut] "Jesus hilft..."

Die Kamera fährt nach rechts und wir sehen neben Rick am Straßenrand in einer Wiese ein großes und poppig buntes bzw. Hippie-artiges Werbeschild mit der Aufschrift

Jesus hilft...

Rick: [erstaunt] "Jesus hilft...?" [Pause] "Wer stellt den solche Schilder auf?"

Die Kamera fährt ein Stück nach hinten und wir sehen direkt daneben ein zweites, sogar noch größeres Schild:

Petrus & Paulus & Sohn
Christliche Werbeagentur

Vom Heiligen Geist direkt zu Ihrer Zielgruppe...

Rick: [kopfschüttelnd] "Was ich meinte ist..." [denkt kurz nach] "Wer bezahlt denn für das Aufstellen solcher Schilder?"

Die Kamera fährt nochmal ein Stück nach rechts und zurück und wir sehen, daß er vor der evangelischen Kirche von Bruchbach steht - was ihm erst jetzt auffällt.

Rick: [erkennend] "Hoppla. Hätte ich mir ja denken können..."

Aus der offenen Kirchentür ist leise die Stimme des Pfarrers zu hören. Rick geht durch die Tür.

Aus der Sammelbüchse im Eingangsbereich der Kirche hängt ein 5-Euro-Schein, den jemand nicht ordentlich eingeworfen hat. Auf der Sammelbüchse klebt eine Warnaufkleber für Diebe in Form eines STOP-Schildes mit Text darunter. Wir lesen:

HALT - dieses Geld gehört Jesus.

Die Szene blendet kurz in Ricks Gedanken. Wir sehen einige Male abwechselnd das "Jesus hilft..."-Werbeschild von vor der Tür und die Aufschrift "Dieses Geld gehört Jesus...". Die beiden Schriftzüge blenden in seinen Gedanken übereinander.

Rick: [nachdenklich] "Wenn das Geld ihm gehört und er mir heute helfen will...?"

Er streckt zögernd die Hand aus und blickt sich zuerst unschlüssig um. Dann...

Rick: [nickend]: "An seinem Geburtstag kann er ruhig einen ausgeben..." [achselzuckend] "Außerdem ist sein Vater reich..."

Er greift sich den heraushängenden Schein und steckt ihn in die Hosentasche. Er betritt den beinahe leeren Innenraum der Kirche.

Mit etwas Hall hören wir dort die Stimme des Pfarrers, der auf der Kanzel offenbar seine Predigt für den Abend übt. Er ist so in seine Probe vertieft, daß er Rick nicht bemerkt. Rick setzt sich auf eine der hinteren Bänke und hört zu.

Pfarrer: [ernst] "...und sehet, dieser Tage kam ein Mann zu mir und dieser Mann sprach folgende Worte..."

Er setzt spontan eine hippe Sonnenbrille auf.

Pfarrer: [versucht kewl] "Yo, Brother Priest. Pimp My Faith..."

Er nimmt die Brille wieder ab und spricht normal weiter.

Pfarrer: "Ich verstand zuerst nicht und dachte, der Mann wolle von mir - wie nun so viele in diesen Tagen - seinen iPod gesegnet bekommen. Doch dann traf mich die Erkenntnis..." [dramatisch]"Dieser Mann brauchte meine Hilfe..." [ruhig weiter] "Und dies führte mich zurück zur Geburtsstunde unseres Herrn Jesus Christus..."

Er macht eine etwas zu lange Pause, die Rick zu einer Zwischenfrage veranlaßt.

Rick: "Warum?"

Pfarrer: [verdutzt] "Bitte?"

Er sieht sich suchend um, bis er Rick in einer der hinteren Sitzreihen bemerkt.

Rick: [wiederholt] "Warum?"

Der Pfarrer holt Luft zu einer Antwort, ihm fällt aber offensichtlich keine ein. Er kommt die Stufen hinunter und geht zu Rick.

Rick deutete im Halbkreis in den festlich geschmückte Innenraum.

Rick: "Erwarten sie heute noch Gäste, Padre?"

Pfarrer: [schmunzelt] "Also das will ich doch hoffen..."

Der Pfarrer setzt sich neben Rick auf eine Kirchenbank und sortiert seine Unterlagen.

Pfarrer: "Wie fandest du die Predigt? Ich versuche dieses Jahr...frischer und hipper...zu sein."

Rick: [nach kurzem Grübeln] "Nett...besonders die Sonnenbrille." [Pause] "Wo kann man die kaufen?"

Pfarrer: "Ich muß irgendetwas universell-aktuelles zu Weihnachten sagen..." [Pause] "Wenn ich in der Schule von Betlehem und Nazareth rede, dann fragen mich die Kinder nur noch, ob dort gerade die Hamas oder die Hisbollah bombardiert werden..."

Rick blättert in einem Gesangbuch.

Rick: [beiläufig] "Hmmm? Ja. Schwierige Zeiten..."

Pfarrer: "Hast du irgendwelche Vorschläge, um meine heutige Predigt hipper zu gestalten..."

Rick: [winkt ab] "Lieber nicht. Erinnern sie sich noch an Alex´ Ansprache letztes Jahr beim Weihnachtsmarkt?"

Pfarrer: [nachdenklich] "Oh ja, richtig..."

Die Szene blendet zurück zum Weihnachtsmarkt im letzten Jahr. Alex hat auf der Bühne gerade eine kritische Rede gegen Kommerz und Völlerei zur Weihnachtszeit im Angesicht von Krisen und Welthunger beendet. Das Publikum ist not amused.

Alex: [in Mikrofon] "...lassen sie mich die Ausführungen mit folgender Denkanregung beenden..."

Sie blickt in Richtung der übergewichtigen Honoratioren am Glühweinstand.

Alex: [laut] "Ihr seid übelriechende, Groggurgelnde Schweine..." [Pause] "Vielen Dank..."

Eisiges Schweigen und finstere Gesichter in der Menge. Mike steht im Hintergrund, Rick neigt sich von rechts zu Alex rüber.

Rick: [flüsternd, sarkastisch] "Grandiose Ansprache. Ich bin bisher noch nie vom Nikolaus geteert und gefedert worden..."

Ein Gegenstand wird geworfen, dem Mike gerade noch durch Ducken ausweichen kann. In dem Moment flackert auch das Blitzlicht des Reporters der lokalen Zeitung.

Rick sieht sich genötigt einzugreifen und schiebt Alex zur Seite ("Lass mich mal..."), um die Situation zu retten.

Rick: [unsicher in Mikrofon] "Äh.....Äh...."

Wir hören seine Gedanken.

Ricks Gedanken: "Komm schon. Jetzt ist deine Chance. Bedeutungsvolle Rede. Geistreiche Kritik. Alex übertrumpfen. Ja."

Rick: [in Mikrofon] "Äh..." [längere Pause, dann energisch und laut] "Unter den Weihnachtskutten den Muff von tausend..."

Er hält inne. Die Blicke sind noch finsterer, ein paar Leute halten ihren Kindern die Ohren zu.
Irgendwo zirpen Grillen und ein Wolf heult in der Ferne.

Rick: [zögerlich] "Ich...äh...komm später nochmal wieder..."

Er läuft nach rechts aus dem Bild.

Blende zurück in die Gegenwart.

Pfarrer: "Gott sei Dank war der Mob recht schnell wieder unter Kontrolle..."

Rick: "Jepp. Trotzdem schade um den schönen Baum auf dem Marktplatz."

Rick steht auf und stellt das Gesangbuch zurück.

Rick: [deutet] "Ach übrigens - was macht Jesus eigentlich mit all dem Geld draußen in der Sammelbüchse?"

Pfarrer: [schmunzelt] "Das übergeben wir in seinem Namen erstmal an das Waisenhaus in Ventenburg..."

Rick: [nickt kurz, dann] "Nun denn. Ich muß weiter..."

Er geht den Gang hinunter, bleibt aber an der Sammelbüchse nochmal stehen und steckt die 5 Euro wieder hinein. Er geht weiter.

Pfarrer: "Hey Rick..."

Rick [dreht sich nochmal um] "Ja?"

Pfarrer: "Falls du heute einsam bist - das Haus der Herrn steht immer offen..."

Rick: [winkt ab] "Ach nö. Religion liegt mir leider nicht. Ich bin auf dem Weg zu einer Volkszählung. DJ Herodes und so..."

Pfarrer: [nachdenklich] "Verstehe..."

Nachdem Rick gegangen bleibt die Kamera noch kurz beim Pfarrer, der sich grübelnd am Kinn kratzt.

Pfarrer: "Hmmmm. DJ Herodes. Das klingt gut..."

Er nimmt einen Kugelschreiber, streicht auf seinem Blatt ein Wort durch und schreibt ein anderes dafür hin.


Die Szene wechselt zu Rick, der auf dem Weg raus aus der Stadt nun im Sendestudio des lokalen Radiosenders angekommen ist.

Im Senderaum sehen wir Moderator Randolf, der in seinem üblichen Durcheinander sitzt - heute vielleicht noch schlimmer, als üblich. Bänder und Papierblätter stapeln sich, Essen liegt auf den Mischpulten, Kisten stehen herum. Randolf macht in seinem durchgesessenen Stuhl keinen besonders festlich gestimmten Eindruck. Im Hintergrund sehen wir Rick, der sich gerade an der Kaffeemaschine bedient und dann an seiner Tasse nippt.

Er geht zum großen Sammelglas des Senders voller Geldscheine und Münzen und drückt sich die Nase daran platt.

Rick: "Weißt du - da ist Geld von mir drin. Alex hat mich neulich zum Spenden gezwungen..."

Randolf: "Die Restauratoren der alten Stadtmühle werden dir deine Spende danken."

Rick: [eindeutig schauspielernd] "Wie - Alte Stadtmühle? Ich wollte doch für eine neue Wasserrutsche im venezianischen Stil spenden." [bestimmt] "Ich wurde absichtlich falsch informiert und verlange Genugtuung..."

Er tippt demonstrativ auf das Spendenglas.

Rick: "Genugtuung in Form eines mittelgroßen Hammers - hier und jetzt..."

Randolf: [desinteressiert] "Ja. Wir alle haben Probleme..."

Rick läßt vom Glas ab und wendet sich um.

Rick: "Tatsächlich? Was sind deine? Du als gutgelaunter Moderator am Feiertag..."

Randolf mustert Rick kurz und scheint sich zu fragen, ob dieser mit seinen Problemen etwas anfangen an.

Randolf: "Meine letzte Sendung zu Weihnachten kam bei den verantwortlichen Sponsoren nicht so gut an..."

Rick: [ungläubig] "Hör auf..." [Pause] "Die Gewinnaktion war doch ein voller Erfolg. Jeder hatte Spaß..."

Randolf: "Du meinst meinen spontanen Aufruf, die Zuhörer sollen alle Schaufenster und Werbeschilder in der Innenstadt mit Schneebällen pflastern - erster Preis für den eifrigsten Werfer?"

Rick: "Genau. Spaß für alle an frischer Luft." [Pause] "...mit einem dezenten Hauch kritischer Anarchie..."

Randolf: "Die Sache ging solange gut, bis irgendjemand in die Menge rief, daß Steine die Gewinnchancen erhöhen."

Rick: "Jepp..." [sieht sich nervös um] "...irgendjemand..."

Randolf: "Und das Resultat der Aktion war ein Vertrag mit den Sponsoren über die Art der Sendung dieses Jahr..."

Er wartet auf das Ende des Songs und öffnet dann demonstrativ das Mikro ("Pass auf"). Er liest seinen Text von einem Blatt ab.

Randolf [fröhlich in Mikro] "Hey, ihr Leute in Stadt und Land. Hier ist wieder euer Rrrrrrandolf vom Rrrrrradio. Und bevor es mit dem nächsten Charthit weitergeht, eine kurze Frage..." [Geräusch Motor] "Wie feiern Manta-Fahrer Weihnachten?" [Pause] "Ist doch ganz einfach...mit Boah, du Fröhliche und Ey, Tannenbaum..." [Geräusch Sitcom-Gelächter] "Und schon geht es weiter..."

Er schließt das Mikro wieder, hakt das Blatt ab und legt es beiseite. Im Hintergrund hören wir leise einen Werbejingle.

Randolf: [niedergeschlagen] "Siehst du, was ich meine?"

Rick: [amüsiert] "Heh Heh Heh. Spitzenwitz..." [macht Notizen] "Hast du noch mehr davon?"

Randolf schüttelt resignierend den Kopf und sortiert seine Bändern mit Werbespots auf dem Tisch.

Randolf: "Soll ich dir noch erzählen, was mir vorhin beim Bandeinlegen für ein Malheur passiert ist?"

Rick: [beim Gehen] "Jetzt nicht. Ich muß weiter..."

Randolf: "Wart mal kurz. Hast du irgendeinen speziellen Wunsch zum Fest?"

Rick hält nochmal inne und schielt auf das Glas mit Geld aus einer Sammelaktion vom Sender.

Rick: [nach längerer Pause] "Nur das Übliche - Bargeld für mich und Friede auf Erden..."

Randolf: [leichtes Lächeln] "Irgendeinen Songwunsch dazu?"

Rick: "Hast du was Aktuelles mit allen vier Beatles?"

Randolf: [kopfschüttelnd] "Das wird es wohl nicht geben..."

Rick: "Hey. Passend zum ersten Wunsch..."

Er schlägt den Kragen hoch und geht. Wir sehen eine Ansicht von oben (vom Sendeturm runter), als Rick das Gebäude verläßt.

Wir hören als Soundtrack einige Zeilen aus "Eleanor Rigby" von den Beatles. Rick läuft aus der Stadt hinaus auf eher surreal aussehende leere und weiße Felder und Ödland. Die Kamera folgt ihm einige Songtakte aus der Vogelperspektive.

[Ende 2.Akt]


Wir sehen schmale Feldwege und mit Schnee bedeckte Felder in allen Richtungen, ein paar kahle Bäume. Nebelfetzen ziehen über den Feldern auf. Rick trottet die Straße entlang und blickt an einer Wegkreuzung achselzuckend in verschiedene Richtungen. Es ist deutlich zu sehen, daß er sich verlaufen hat.

Er wählt den Weg geradeaus und bemerkt nach einigen Schritten zu seinem Erstaunen einen bärtigen Mann in abgerissenen Klamotten, der auf einem Baumstumpf sitzt. Der Mann betrachtet durch ein rostiges Fernglas den bedeckten Himmel.

Er bemerkt Rick erst, als dieser vor ihm stehenbleibt.

Penner: "Hallo, mein junger Freund. So allein unterwegs? Kann ich dir helfen..."

Rick: [winkt ab] "Wohl kaum..." [Pause] "Es sei denn, sie wissen, wie ich hier zum Partyzentrum der Region komme..."

Penner: "Das neue Party H.Q.? Das wurde doch neben der Schutthalde der Flughafenerweiterung gebaut. Gleich drüben vor den Toren der Großstadt rechts von Bruchbach..."

Rick: [fragend] "Und? Was hilft mir das?"

Wir hören bedeutungsvolle Musik (Rick blickt sich verdutzt um), als der Penner mit seinem Fernglas nach oben in den Himmel weist. Die Kamera fährt nach oben und wir sehen in der trüben Dämmerung ein Licht zwischen den Wolkenlücken dahinziehen. In der Ferne ist ein leises Triebwerksgeräusch zu hören.

Penner: [weise] "Folge den Positionslichtern..."

Rick: "Cool. Danke..."

Er läuft mit Blick nach oben los, wird aber nach einigen hoffnungsvollen Schritten die Straße entlang von einem Pfiff aufgehalten.

Penner: [weise] "Folge den Positionslichtern der landenden Flugzeuge, nicht denen der Startenden..."

Rick: "Uppsi..." [Er dreht um und späht in den Himmel] "Wie auch immer...vielen Dank, mysteriöser Penner. Ich..."

Er stellt verdutzt fest, daß der Penner verschwunden ist. Mystery-Musik spielt kurz an - bis wir mit einem Schwenk nach rechts sehen, daß der Penner gerade von einer Gruppe Polizisten recht rabiat in einen Kleinbus voll mit seinen Kollegen verladen wird.

Polizist: "Immer ruhig. Auf Anordnung des Bürgermeisters bringen wir euch über die Feiertage in den Nachbarlandkreis..."

Die Polizisten steigen ein und der Kleinbus fährt aus dem Bild. Rick folgt den Positionslichtern eines landenden Flugzeugs.


Die Szene wechselt zu Rick, der wieder über den Feldweg läuft und sich mit gelegentlichen "Party, Party"-Rufen scheinbar selbst aufzumuntern versucht. Nach einiger Zeit werden die Rufe jedoch zaghafter und schließlich sehen wir Rick wortlos dahintrotten.

Am dunkler werdenden Himmel ist hinter einem Hügel plötzlich ein Scheinwerferstrahl zu sehen, der senkrecht nach oben in den Himmel reicht. Wir hören wieder kurz die "Halleluja"-Musik.

Rick: [freudig] "Endlich..."

Die Szene blendet kurz in seine Fantasie. Wir sehen einen riesigen Diskopalast mitten auf dem freien Feld, umringt von einer Vielzahl von bunten Scheinwerfer. Fanfarenbläser stehen vor dem großen Tor. Überall parken Limousinen und Sportwagen.

Der Penner von vorhin steht im weißen Anzug als Empfangschef an einem Pult und winkt alle ankommenden Gäste herein, die beiden rabiaten Polizisten übernehmen lächelnd das Parken der Autos. Unter den Gästen sehen wir u.A. Uncle Sam, die Blues Brothers, Boris Jelzin, einen jungen John Travolta und Mel Brooks. Im Hintergrund feilschen der Pfarrer und Sammy Davis Jr. offenbar gerade über den Preis einer hippen Sonnenbrille. Am Eingang sehen wir Klaus, der mit einem riesigen Fotoapparat aus dem 19. Jahrhundert Fotos aller ankommenden Gäste macht. Mikes Vater nimmt fröhlich mit einem Lineal Maß an allen Gästen, um deren Party-Tauglichkeit zu messen - und winkt jeden durch. Alle drehen sich um und winken Rick freundlich zu.

Die Szene wechselt abrupt aus der Fantasie zurück in die Realität.

Als Rick um die Ecke biegt, steht er vor einer ausgebrannten Ruine eines kleineren Gebäudes. Das Party H.Q. gibt es nicht mehr. Der Scheinwerferstrahl kommt von einem leuchtenden Scheinwerfer, den ein Traktor auf dem Feldweg zieht. Der Traktor hält.

Rick: [zu Bauer] "Woher haben sie den Scheinwerfer?"

Bauer: [nervös] "Den hab ich..." [Pause] "...gefunden."

Rick deutet auf die ausgebrannte Ruine.

Rick: "Was ist denn mit der Disko passiert?"

Bauer: "Wie? Aber die ist doch schon im Oktober abgebrannt. Kurzschluß im großen Halloween-Kürbis..."

Rick: [ungläubig] "Und warum habe ich dann vorhin im Radio eine Werbung für die große Xmas Partey gehört?"

Bauer: "Ach das. Die hatten wohl aus Versehen das falsche Band eingelegt und den Spot vom letzten Jahr ausgestrahlt..."

Rick gibt unverständliche Laute von sich.

Rick: [nach einigen Sekunden gefasster] "Okay. Wo sind all die anderen Trottel, die darauf reingefallen sind und die mich jetzt mit zurück in die Stadt nehmen?"

Bauer: "Es gibt keine. Die Falschmeldung wurde kurz darauf wieder im Radio korrigiert."


Die Szene wechselt.

Rick steht in einer rostigen Bushaltestelle im trüben Dämmerlicht und wartet auf einen Bus, der vermutlich nicht kommen wird. Als die Kamera nach links schwenkt, sehen wir, daß zusammen mit Rick ein Ochse und ein Esel in der Haltestelle stehen.

Rick: [lakonisch] "Das kann doch nicht euer Ernst sein, oder?"


In der Ferne hören wir quietschende Reifen, ein schrottreifer, schwarzer VW-Kleinbus kommt die schmale Landstraße entlang. Als er näherkommt, hören wir auch Heavy-Metal-Musik. Rick geht einen Schritt nach vorne und versucht sich als Anhalter.

Der Bus bremst schlitternd und mit quietschenden Reifen neben Rick, die Musik verstummt. Als sich die Seitentür öffnet, strömt mystisch-helles Licht heraus und wir sehen die Silhouette einer Gestalt mit langen Haaren und (scheinbar) einer Kutte.

Rick kneift die Augen zusammen. Als sich die Bildhelligkeit normalisiert, sehen wir, daß aus dem Bus Horst, August und "Harke", drei stadtbekannte, junge Metal-Fans in üblicher Aufmachung steigen. Sie mustern Rick mit unfreundlichen Blicken.

Rick: "Hey, Jungs...Party on. Volle Kanne. Was auch immer..."

Horst: [finster] "Kennen wir uns?"

Rick: [freundlich] "Ich bin Rick. Ihr habt mir vor 2 Wochen die Fresse poliert. Wisst ihr noch - der Müllcontainer?"

Auf den Gesichtern der Drei zeichnet sich eine allgemeine Erkenntnis ab.

Harke: [freundlich] "Fürchte dich nicht. Wir sind heute gut drauf..."

Rick geht einen Schritt aus der Haltestelle auf den Bus zu.

Rick: [vorsichtig fragend] "Und - was habt ihr Jungs noch so vor?"

Horst: [finster] "Hey Mann. Was werden Typen wie wir wohl an einem Tag wie heute vorhaben?"

Die Szene blendet kurz in Ricks Fantasie. Wir sehen, wie er sich in einer Parodie auf "Indiana Jones und der Tempel des Todes" vorstellt, wie die Metaler einem auf einem Holzgestell festgebundenen Nikolaus das Herz rausreißen und es dann Mola Ram im Osterhasenkostüm geben.

Blende zurück in die Realität.

Rick: "Hey. Könnt ihr mich nicht mitnehmen?"

Die drei sehen sich kurz grübelnd an und nicken dann.

Harke: "Klar. Spring rein..."

Rick steigt in den schrottigen VW-Bus und macht es sich auf den Sitzen bequem. Der Motor wird angelassen.

August: [laut nach vorn] "Wo bleibt die Musik?"

Als die Musik anfängt, hören wir "Magic Bus" von The Who als Soundtrack. Wir sehen an Ricks Gesichtsausdruck, daß es nicht ganz die Sorte Musik ist, die er erwartet hat, aber den Jungs scheint es gut zu gefallen.

Die Szene blendet nach draußen und wir hören weiterhin "Magic Bus", als der VW-Bus davontuckert.


Die Szene wechselt zurück in die Stadt. Einige Zeit ist offenbar vergangen, denn es ist noch etwas dunkler. Schneeflocken rieseln langsam herunter. Mit quietschenden Reifen kommt der Bus um die Ecke und bremst dann schlitternd halb auf dem Bürgersteig. Die drei Metal-Dudes steigen aus, Rick etwas unsicher hinterher.

Er bemerkt mit irritiertem Blick, daß er wieder genau vor seinem Haus angekommen ist.

Rick: "Äh. Hier wohne ich..." [Pause] "Was genau habt ihr jetzt vor?"

Er stellt mit Erstaunen fest, daß sich die drei Jungs vor dem Bus umziehen und gegenseitig einen Kamm weiterreichen.

Horst: "Was meinst du? Was sollen wir schon vorhaben..." [zu Kollegen] "Hey, hilf mir mal mit dieser Krawatte..."

August: [zu Rick]: "Es ist Weihnachten, Mann. Da gehen wir immer zu meinen Eltern zum Feiern..."

Er deutet auf ein weihnachtlich geschmücktes Haus auf der anderen Straßenseite, aus dem man leisen Gesang hört.

Harke: "Was hast du denn erwartet?"

Rick: [verdattert] "Keine Ahnung. Chaos. Gewalt. Laute Musik. Schwarze Katzen opfern..."

Die Drei sind kollektiv entsetzt.

Horst: [tadelnd] "Es ist Heiliger Abend, Mann. Benimm dich mal etwas..."

Sie gehen die Straße entlang, drehen sich aber nochmal um, als sie sehen, daß Rick allein und etwas fröstelnd stehenbleibt. Einer aus der Gruppe kommt nochmal zurück.

Horst: "Ey, Alter - hör mal. Da wird immer zuviel gekocht bei meinen Eltern. Willst du vielleicht..."

Rick: [blickt auf] "Wie?" [Pause] "Äh. Nein. Nein. Wie gesagt - ich wohne sowieso gleich hier."

Horst: "Alles klar..." [Pause] "Und...äh...wegen schwarze Katzen opfern: ruf mich doch im Frühjahr nochmal an. Da ist es nachts auf dem Friedhof wieder wärmer..." [gibt Rick seine Visitenkarte]

Rick: "Cool..."

Er lächelt kurz, aber als die Kamera zurückfährt, sehen wir, daß Rick wieder allein auf dem Gehweg steht. Er senkt den Kopf.


Die Szene wechselt zu Rick zurück im leeren Haus. Er macht sich sein Abendessen und setzt sich dann mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck wieder vor den Fernseher, wie schon am Anfang der Folge.

Er will gerade den Fernseher einschalten, als er von einem Klingeln an der Tür gestört wird.

Rick: "Ob Mel Brooks meine Einladung doch noch bekommen hat?"

Rick geht zur Tür und öffnet. Klaus steht davor. Unter dem Arm hält er einen klobigen Drucker und einen Homecomputer.

Klaus: "Hallo Rick..." [Pause] "Also - du warst heute nachmittag so freundlich in den Geschäften. Das hat auch meinen Drucker gefreut. Und da dachte ich mir...also da dachten wir uns..."

Rick macht rudernde Geräusche mit den Händen, damit Klaus auf den Punkt kommt.

Klaus: "...wir kommen einfach mal ein paar Minuten vorbei." [Pause] "Außerdem war es daheim etwas leer - an manchen Abenden tröstet mich nicht mal meine komplette 1974er - 1978er Kollektion vom Heimelektronikermagazin..."

Rick: [öffnet die Tür weit] "Kein Problem. Komm rein. Der Baum steht im Wohnzimmer, etwas Essen im Kühlschrank..."

Klaus macht sich im Wohnzimmer sofort daran, seine Anlage aufzubauen.

Klaus: "Ich will dir hier mal was mit dem Nadeldrucker zeigen..."

Rick: "Okay. Wenn du Nadeln zum Bedrucken brauchst, nimm dir welche vom Baum..."

Klaus schüttelt kurz den Kopf und verkabelt weiter seine Anlage - als es wieder an der Tür klingelt. Rick geht erneut.

Martin und Alex stehen vor der Tür und machen einen ruhigen und versöhnten Eindruck. Alex trägt einen großen Topf.

Rick: "Sieh mal an, die Marx-Brothers. Was führt euch denn her?"

Alex: "Wir haben uns geeinigt. Wir wollen Weihnachten feiern. Aber weder auf traditionelle Weise mit Kommerz und Brimborium, noch auf erzwungen unkonventionelle Weise ohne Inhalt. Wir wollen es so feiern, wie wir uns fühlen." [Pause] "Und weil wir uns doch irgendwie nach Freunden und Familie fühlen, sind wir hier..."

Rick widmet seine Aufmerksamkeit eher dem Topf.

Alex: "Ich habe dir was zu Essen gekocht..." [Pause] "Altes Familienrezept für Tofu-Gulasch..."

Sie geht vorbei. Martin zieht eine vielsagende Grimasse und flüstert Rick im Vorbeigehen zu.

Martin: [flüstert] "Sie meint es gut..." [Pause] "Versuch das Zeug irgendwie in den Ausguss zu bugsieren."

Die Beiden sind kaum nach links aus dem Bild gegangen, als es schon wieder klingelt. Mike steht vor der Tür.

Rick: [überrascht] "Hey, Mikey. Du befindest dich gerade 4 1/2 Zentimeter plus-minus etwa 2 Kilometer neben der vorgesehenen Bescherungsposition. Wie kommt das?"

Mike: "Mein Vater und Onkel Hubert haben angefangen zu streiten, ob der Heilige Nikolaus ein Ausländer war. Dann über Geld. Dann über Rostbraten und Gartendünger. Dann wieder über Geld..." [Pause] "Jetzt soll ich zur Familienversöhnung einen Kasten Bier holen und alle warten..."

Rick: [deutet] "Ich glaube der Kiosk unten an der Straße hat noch offen..."

Mike blickt traurig auf den Boden.

Rick: [versteht] "Okay. Warum lassen wir sie nicht einfach warten und du kommst erstmal rein..."

Er öffnet die Tür weit und winkt Mike herein.

Die Szene wechselt in das Wohnzimmer, wo nun alle versammelt sind. Gespräche werden geführt, Rick verteilt Getränke, während Alex einen Klatsch ihres unförmigen Essens auf einen Teller befördert. Klaus ist fertig mit dem Aufbau seiner Anlage.

Klaus: "Seht und staunt, ihr Kinder des 21. Jahrhunderts..."

Der Nadeldrucker beginnt mit dem Motor Weihnachtslieder zu spielen, was nach kurzem Zögern mit Applaus belohnt wird.

Für den Abspann blenden wir zu einer Außenansicht des Hauses. Etwas Schnee fällt. Als "Musik" über dem Abspann hören wir weiterhin das Weihnachtslied, das der Nadeldrucker spielt - was Rick ungemein begeistert. Der Dialog über dem Abspann läuft auf der Tonspur zwischen Alex und Rick weiter - Alex will Rick ständig überreden, etwas von ihrem selbstgekochten Essen zu kosten, während Rick immer wieder nur vom musikmachenden Drucker redet ("Man fasst es ja nicht..." etc.)

Die beiden letzten Sätze im Dialog sind dann:

Alex: [leicht beleidigt] "Sag ruhig, wenn du es gar nicht probieren willst..."

Rick: "Das tue ich doch die ganze Zeit."

Ende des Abspanns und Ausblende.

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