Miss Halsey

118. Miss Halsey

Vor dem Beginn der Folge sehen wir eingeblendet das Zitat:

"If a beetle were to say to you, ‘Please, Miss Halsey, will you avoid treading here,
otherwise I shall be crushed‘, wouldn´t you be willing to move your foot a trifle?"

Fred Hoyle, "The Black Cloud"

Die Folge beginnt mit einer Außenansicht von Mikes Haus.

Dann sehen wir Alex, die Mikes Zimmer betritt. Mike kniet auf dem Boden und blickt interessiert in seinen Wäschekorb. Er scheint mit irgendjemandem zu sprechen. Als er Alex sieht, hört er damit auf und blickt er sich etwas nervös um.

Alex: "Hallo. Was machst du da unten?"

Mike: [nervös, hastig] "Wer? Ich? Gar nichts..."

Ein Kratzen und Rumoren ist aus dem Wäschekorb zu hören. Alex blickt den Korb erstaunt an, zuckt aber dann mit den Achseln und geht zum Fenster. Sie deutet nach unten.

Alex: "Ich muß eine Handvoll Infoblätter für das Projekt zur Rettung der Waldameisen im Bruchbacher Forst kopieren. Hilfst du mir dabei?"

Mike: [vorsichtig] "Beim Kopieren?"

Alex: "Nein. Beim Tragen der Stöße aus dem Kopiershop..."

Mike will antworten, aber das Rascheln und Kratzen aus dem Korb unterbricht ihn.

Alex: [erstaunt] "Was hast du da drin?"

Mike: [nervös] "Das ist...ähm....das ist...mein neues Haustier. Miss Halsey."

Alex: "Wie nett. Katze oder Hund? Aber bitte artgerechte Haltung. Ein Wäschekorb ist kein Platz für ein Haustier..."

Sie geht zum Korb und öffnet den Deckel. Mit einem kurzen Schrei springt sie dann zurück. Bedrohliche Musik spielt an, während die Kamera langsam näher an den Korb heranfährt. Plötzlich springt eine ziemlich ausgewachsene Ratte aus dem Korb heraus und klettert dann den Schreibtisch dahinter hoch.

An ihrem langen Schwanz trägt sie ein rotes Schleifchen, über ihrem Rücken hängt eine alte Socke. Mike nimmt die Socke weg und das Tier sieht ihn mit großen Augen an und streckt eine Pfote nach oben.

Alex: [entsetzt] "Was...ist das?"

Mike: "Ähm. Darf ich vorstellen: Miss Halsey - Alex. Alex - Miss Halsey..."

Alex: [deutet] "Mike. Das da ist eine Ratte..."

Mike: [nickt] "Ja. Das war mir auch schon aufgefallen..." [Pause] "Das arme Tier lief mir letzte Woche bei der Arbeit drüben bei den neuen Mietshäusern zu. Der Vorarbeiter mag Ratten nicht so wirklich und da dachte ich mir, ich nehm sie einfach mit zu mir. Bevor ihr noch jemand irgendwas tut und so..."

Alex: [kopschüttelnd] "Mikey. Du kannst nicht einfach Ratten anfassen und mitnehmen. Die übertragen Bakterien und richtig üble Krankheiten. Die sind schmutzig und ungewaschen und..."

Mike: [winkt ab] "Nicht Miss Halsey. Die hat heute morgen erst frisch geduscht..."

Alex schleicht in großem Bogen um das graue Tier auf dem Schreibtisch herum. Dieses folgt ihr mit dem Kopf.

Alex: [langsam] "Was...hast du jetzt...vor...mit dieser...Miss Halsey...?"

Mike: [zählt auf] "Füttern. Waschen. Striegeln. Fernsehabend..." [lächelnd] "Ich glaube, sie mag Columbo..." [Pause] "Morgen machen wir uns dann in der Stadt auf die Suche nach ihrer Familie...und ihrem Ehemann, Mr. Halsey..."

Alex rauft sich die Haare und schüttelt den Kopf.

Alex: "Was? Warum glaubst du, daß sie einen Ehemann und Familie hat? Es ist doch ein Tier..."

Mike: [achselzuckend] "Ja, und? Nur weil sie kleiner und haariger ist als wir, muß das doch nicht bedeuten, daß sie nicht auch Freunde und Verwandte hat. Und sich einsam fühlt, weil sie von denen getrennt wurde..."

Alex: [nickend] "Aha. Jetzt sehe ich, woher der ganze Unfug kommt. Du hast irgendwelches Zeug im Kino gesehen und bist jetzt noch anfälliger für anthropomorphes Wunschdenken..."

Mike: [unbeeindruckt] "Kann sein. Ich geh zum Arzt und laß mich dagegen impfen..."

Alex: "Dagegen kann man sich nicht impfen lassen..." [Pause] "Seit Jahrtausenden tauchen in den Geschichten der Menschen doch Tiere auf, die vermenschlicht werden und unsere Rollen annehmen. Das geht von den Fabeln eines Aesop über lustige Enten und Micky Mäuse bis hin zur heutigen Werbung und den rülpsenden Elchen auf dem Handy."  [Pause] "Der Mensch liebt es einfach, in seiner Fantasiewelt die Tiere als große und kleine Spiegel seiner selbst zu sehen. Warum auch immer..."

Mike wirft einen freundlichen Seitenblick auf Miss Halsey.

Mike: "Und? Wo liegt dabei das Problem?"

Alex: "Das Problem liegt darin, daß wir den Tieren dann auch außerhalb unserer Fantasie menschliche Eigenschaften zugestehen wollen. Wir sehen dann lächelnde Delphine und lachende Affen und rechnende Pferde und Hunde, obwohl dies alles Illusion ist."

Mike: [skeptisch] "Woher willst du das wissen?"

Alex: "Warum sollte ein Delphin, wenn er in einem engen Zoo-Aquarium gehalten und jeden Tag von Gaffern angestarrt wird, anstatt einen Ozean voller Freiheit für sich zu haben, wohl lächeln?"

Mike: [achselzuckend] "Miss Halsey lächelt, wenn man nett zu ihr ist...siehst du..."

Er wirft ihr ein Bröckchen Käse hin. Miss Halsey sieht ihn mit undeutbarem Gesichtsausdruck an und frisst dann den Käse.

Alex: "Nein. Tut sie nicht. Vermenschlichung von Tieren ist Wunschdenken - und darüber hinaus verantwortlich für mancherlei Tierquälerei. Und damit meine ich nicht nur Dressurwunder im Rampenlicht. Wieviele Kinder wollen wohl nach irgendwelchen erfolgreichen Trickfilmen genau dieses und jenes Haustier aus dem Film? Wieviele lassen das Tier dann nach einigen Wochen vereinsamen oder eingehen, weil sie gar kein reales Tier wollten, sondern eben die Kunstfigur aus dem Trickfilm..?"

Mike: [kategorisch] "Ich will gar keine Kunstfigur aus Trickfilmen. Miss Halsey ist zu mir gekommen und will meine Hilfe. Basta."

Alex: [skeptisch] "Und das hat sie dir gesagt, ja?"

Mike: "Das muß sie mir gar nicht sagen. Sie ist allein und irgendwo dort draußen sind demnach ihre Freunde." [Pause] "Man muß doch helfen, so moralisch und so, wenn ein anderes Wesen auch Bewußtsein und Seele hat..." [freudig] "Und sie ist nicht wie die doofen Sperlinge und Tauben im Stadtpark. Sie versteht mich. Alles, was ich sage..."

Alex: "Beweis mir das..."

Mike nimmt achselzuckend ein weiteres Stück Käse aus einer Schachtel.

Mike: [höflich] "Möchtest du vielleicht gerne noch ein Stückchen Käse, Miss Halsey?"

Wir sehen eine Nahaufnahme der Ratte, die ihn mit großen Augen mustert und dann andeutungsweise mit dem Kopf nickt.

Mike: [triumphierend] "Siehst du..."

Er gibt der Ratte den Käse, während Alex die Szene skeptisch beobachtet.

Alex: [nach Denkpause] "Mach das nochmal..."

Mike: [achselzuckend] "Möchtest du vielleicht noch ein weiteres Stückchen Käse, Miss Halsey?"

Die Ratte mustert Mike mit großen Augen. Alex kneift die Augen zusammen und das Bild zoomt nahe an Mikes Kopf und Kinn heran. Nach einem Atemzug nickt er andeutungsweise. Dann nickt die Ratte.

Alex: [triumphierend] "Hah. Ich hab euch. Du hast zuerst genickt und das Tier imitiert einfach dein Verhalten..."

Mike: [protestiert] "Ich hab überhaupt nicht genickt..."

Alex: "Hast du doch..."

Mike: "Warum sollte mich Miss Halsey imitieren?"

Er gibt ihr den Käse.

Alex: "Ganz einfach. Weil du sie belohnst, wenn sie dich imitiert. Kein echtes Denken. Simple Faustregeln und Instinkt..."

Mike: [ablehnend] "Glaube ich nicht..."

Alex kratzt sich nachdenklich am Kinn und hat dann eine Idee.

Alex: [deutet] "Geh mal raus auf den Gang..."

Mike verschwindet nach kurzem Zögern durch die Zimmertür. Die Ratte blickt ihm mit schräg gelegtem Kopf nach.

Alex: [nimmt Käse] "Also. Willst du noch einen Käse, Fräulein Ratte?"

Die Ratte sieht Alex einige Sekunden bewegunglos an und beginnt dann, sich das Fell abzulecken.

Mike kommt wieder rein.

Alex: [deutet] "Siehst du. Kein Nicken. Das ist der Beweis..."

Mike: [ablehnend] "Keine Chance. Du hast eben viel zu unhöflich gefragt. Fräulein Ratte? Tsssss...."

Mike: [zu Ratte] "Noch etwas Nachtisch, Miss Halsey?"

Die Ratte späht auf den Käse in seiner Hand und nickt.

Alex: [resigniert] "Ich gebe auf...."

Die Tür geht auf und Rick kommt fröhlich pfeifend herein. Er blickt sich etwas erstaunt um, als er Alex im Zimmer sieht.

Alex: [warnend] "Bevor du dich irgendwo draufsetzt, muß ich dir erst was erzählen, was dich erschrecken wird..."

Rick: "Hui. Klingt ja gruselig...." [Pause] "Aber wart noch einen Moment..."

Er wühlt in seinen Taschen und zieht einen obskuren Klumpen aus Schinken, Käse, Speck und bunten Konfetti heraus.

Rick: "Hier, Mikey. Mittagessen für deine kleine Freundin..."

Miss Halsey klettert auf den Schreibtisch und richtet sich auf die Hinterbeine. Sie scheint Rick begrüßen zu wollen.

Alex: [verärgert zu Rick] "Du wusstest von der Sache?"

Rick: [achselzuckend] "Natürlich. Ich habe mir die Ratte letzte Woche sogar mal ausgeliehen..."

Alex: "Wofür?"

Rick: "Ich hatte Hunger..."

Alex sieht ihn entsetzt an.

Rick: "Hey. Ich hab die besten Kochzutaten der Stadt gekauft und zusammen mit dem Vieh in der Küche eingesperrt..."

Mike: [erwartungsvoll] "Und?"

Rick: "Naja. Am nächsten Morgen hatte sie die Hälfte gefressen, auf die andere Hälfte ihre Häufchen hinterlassen, sich in den weichen Tomaten gewälzt, alles an die Wand geschmiert und in eine Ecke gepinkelt...und ich hatte juckenden Ausschlag an den Armen und Beinen." [Pause] "Ehrlich gesagt...ich fühle mich mal wieder vom Kino verarscht..."

Alex verdreht die Augen.

Rick: [winkt ab] "Hey. Das war immer noch harmloser, als beim letzten Mal, als ich dem Kino zu sehr geglaubt hatte..."

Die Szene wechselt zu einer Rückblende. Rick steht vor einem rostigen und klapprigen Sportwagen, der direkt vom Schrottplatz zu kommen scheint. Vor dem Auto und vor Rick steht eine Gruppe ziemlich übler Jungs mit Knüppeln.

Schläger 1: [drohend] "Ey. Was hast du über die Gemüsesuppe von meiner Omma gesagt?"

Rick: [triumphiernd] "Bitte, meine Herren. Legen sie sich nicht mit mir an. Legen sie sich lieber mit ihm an..."

Rick: [zu Schrottauto] "Superzerstörer Mega-47/11. Transformiere und vernichte..."

Rick klopft auf die Motorhaube. Einige Sekunden passiert gar nichts, dann fällt dem Auto klappernd der rostige Kotflügel ab.

Rick: [unsicher] "Ähm. Äh. Das...fängt immer so an..." [Pause] "Ähm. Buhuhuhu. Hütet euch..vor...dieser...üblen Radkappe..."

Das Auto zerfällt scheppernd in seine Einzelteile. Die Schläger sehen verdutzt den Schrotthaufen an und dann ärgerlich Rick.

Rick sieht sich hastig um und rennt dann weg.

Blende zurück in die Gegenwart.

Alex: "Wie auch immer. Die Sache mit der Küche ist doch Beweis genug, daß ein Tier in der Realität eben ein Tier ist..."

Mike: [unüberzeugt] "Pfffft. Miss Halsey ist doch nicht Ricks Küchenmagd. Sie hat nur ihr Mißfallen ausdrücken wollen."

Alex zieht ein resignierendes Gesicht.

Alex: [sauer] "Warum sagt mir eigentlich niemand über Mikes neuesten Spleen Bescheid?"

Rick: "Wir wollten ja zuerst. Aber dann habe ich Mike in einem erzieherischen Gespräch darauf hingewiesen, daß deine Reaktion mal wieder unerwartet negativ ausfallen könnte..."

Mike: [amüsiert] "Jepp. Das war lustig. Da hinten liegt noch das alte Brillengestell und der rote Wischmob. Mach nochmal..."

Alex sieht Rick verärgert an, der dies mit einem Achselzucken quittiert.

Miss Halsey springt auf einen Schrank hinter Alex und scheint die Szene mit schräg gelegtem Kopf aufmerksam zu beobachten. Alex weicht hastig ein Stück vom Schrank weg und schüttelt sich kurz ab.

Mike beobachtet die Szene irritiert und zieht dann ein dickes Pappkinderbuch aus seinem Schrank. Auf dem Cover sehen wir eine adrett gezeichnete Rattendame im Ballet-Tutu, die tänzelnd eine Tasse Tee für ihre Rattenkinder eingießt. Eines der Kinder hält eine Lupe in der Hand und betrachtet bärige Fußspuren auf dem Boden.

Der Titel auf dem Buch lautet:

Fräulein Rattiwizka und das Geheimnis der Schnuckelbärchen

Mike: "Ich weiß gar nicht, was du überhaupt hast. Ratten kommen doch als Freunde überall vor. In unseren Büchern, in unseren Trickfilmen, sogar in irgendwelchen Popsongs..."

Alex: "Kein Mensch hat jemals einen Popsong über Ratten gesungen..."

Mike: [protestiert] "Doch. Michael Jackson hat..."

Alex: "Hat er nicht..."

Mike: "Hat er wohl. Ich habe Klaus gefragt..."

Rick: [amüsiert] "Pfffft. Klaus sagt ja auch, daß Michael Jackson ein kleiner Junge mit Afrolocken ist. Weißt du, was passiert ist, als ich ihm neulich ein aktuelles Bild von Michael Jackson gezeigt habe?"

Mike: "Was?"

Rick: "Er hat seine Wohnung drei Wochen lang nicht mehr verlassen..."

Alex bringt die Aufmerksamkeit mit einem Räuspern wieder zu sich.

Alex: "Wir müssen auf jeden Fall irgendwas tun. Für heute kann das...Tier ja noch bleiben. Morgen bringen wir sie dann wieder zurück in ihr natürliches Umfeld..."

Rick: [freudig] "Wir spülen sie im Klo runter?"

Alex: [ignoriert Frage] "Und Mike geht morgen zum Arzt und bekommt sämtliche Impfungen, die notwendig sind. Okay?"

Mike zuckt unschlüssig mit den Achseln. Wir sehen Miss Halsey auf dem Schrank, die ihm die Geste gar niedlich nachmacht.

Alex schüttelt den Kopf und geht nach draußen.

Die Szene wechselt zu Alex und Rick, die zusammen auf dem Bürgersteig laufen.

Rick: "Klär mich auf. Wie willst du Mike von diesem tierischen Spleen abbringen?"

Alex: "Ich müsste einen Ort finden, an dem man mir Antworten geben kann. Die Wahrheit über die Rolle des Menschen..."

Sie bleibt abrupt stehen und blickt nach rechts. Leise Chorstimmen sind zu hören.

Die Kamera schwenkt nach drüben und wir sehen, daß Rick und Alex neben der katholischen Kirche der Stadt stehen. Die Kamera zeigt den hochaufragenden Turm, die jubelnden Chorstimmen werden lauter. Ein Lichtstrahl fällt aus den Wolken.

Alex: [freudig] "Das ist es..."

Rick: [blickt sich erstaunt um] "Wie jetzt...?"

Alex läuft auf den Eingang der Kirche zu, bleibt dort jedoch stehen. Die Chormusik bricht abrupt ab. Sie deutet auf ein Plakat neben der Tür. Dort sehen wir ein Foto von Professor Gerhard Poldini, dem Biologen und Autor aus Folge 76.

Unter dem Foto steht:

Christliche Mitbürger! Boykottiert Professor Poldini (Leugner der göttlichen Allmacht)!

Alex [deutet auf das Foto] "Er kann mir bestimmt sagen, wie man Mike von seinen anthropomorphen Fantasien abbringt..."

Sie greift in ihren Rucksack und zieht ein Buch von Poldini heraus. Auf dem Cover sehen wir einen muskulösen Supermann im Armani-Geschäftsanzug mit kühlem Blick, der in der rechten Hand eine Weltkugel fest umgriffen nach oben hält. Unter seinem riesigen Fuß sehen wir kleinere Menschen in gebückter Haltung, auch ein paar Tiere drängen sich in den engen Raum darunter. Über dem Szenario prangen ein sich miteinander verbindendes DNS-Symbol und Dollar-Symbol.

Der Buchtitel darüber lautet:

Das Machismo-Ribosom & seine Zukunft

Rick: [fragend] "Ist das nicht das Buch, daß du in einer Online-Rezension komplett niedergemacht hast?"

Alex: [nickt] "Und das völlig zu Recht. Aber im Moment brauche ich genau diese Sorte von Argumentation für Mike..."

Sie macht kehrt und läuft aus dem Bild, Rick achselzuckend hinterher.

[Ende 1. Akt]

Die Szene wechselt zu Alex und Rick im Büro von Professor Poldini in Bruchbach. Das Büro ist vollgestopft mit obskuren Dingen, ausgestopften Tieren, Artefakten etc. Der Professor sitzt hinter seinem Schreibtisch und mustert seine Besucher.

Poldini: "Sieh einer an. Fräulein Dahl mit Begleitung. Was führt Sie zu mir?"

Bevor Alex antworten kann, drängt sich Rick nach vorne.

Rick: "Herr Doktor. Ich habe in letzter Zeit gewisse Verdauungsprobleme..."

Poldini: "Tut mir leid. Ich bin nicht diese Art von Doktor..."

Rick: [entschuldigend] "Ach so. Klar. Verstehe. Sorry. Mein Fehler..."

Er hält kurz grübelnd inne.

Rick: "Ich hab auch eine juckende Hautstelle hier hinten am..."

Alex: [laut] "Rick. Würdest du uns kurz entschuldigen?"

Die Szene wechselt. Alex hat dem Professor die Sachlage erklärt und dieser kratzt sich grübelnd am Kinn.

Alex: "...und nun frage ich mich, wie ich ihn von dieser Idee abbringen kann."

Poldini: [achselzuckend] "Warum sollten sich bei der Ratte ihres Freundes keine Anzeichen von erwachender Intelligenz zeigen? Irgendwann und irgendwo auf diesem Planeten muß es ja passieren..."

Alex: [äußerst erstaunt] "Was muß passieren?"

Poldini: "Das Erwachen des kognitiven Bewußtseins. Die Zeit, wenn die Tiere, die nun noch zu unseren Füßen kriechen, zu einer bewußten Spezies werden und vielleicht die Fehler der Menschheit ausbügeln. Und momentan wäre sicher ein guter Zeitpunkt..."

Alex: "Warum soll das passieren? Warum jetzt?"

Poldini lehnt sich zurück. Wir sehen aus seinem Blickwinkel, wie er die aufgezeichneten Sterne und Planeten auf der Holzdecke über sich nachdenklich betrachtet und zu einem Monolog ansetzt.

Poldini: "Weil die Menschheit im Moment an einem komplizierten Scheideweg steht und vielleicht dabei ist, falsche Entscheidungen zu treffen. Auf der einen Seite haben wir eine rasante technologische Entwicklung hin zur Technokratisierung, zur Überflutung mit Reizen, mit künstlichen Perfektionen und vermeintlicher Verbesserung der Spezies. Auf der anderen Seite vertieft sich der Graben zwischen Arm und Reich immer mehr, zwischen der Archaik und der Aufklärung. Religiöse Indoktrinationen und Konflikte werden zum massiven Gegengewicht zu einer nicht minder indoktrinativen Technokratie..."

Alex: "Und das bedeutet was?"

Poldini: "Das bedeutet, daß die momentane Situation auf einen Widerstreit zwischen technologischer Künstlichkeit und Archaik hinauslaufen könnte." [düster] "Und keines von beiden sollte eine Basis für die Zukunft der Menschheit sein..."

Alex: [weiterhin grob erstaunt] "Das sind ja ganz neue Töne..."

Wir sehen Rick, der sich im Hintergrund gelangweilt mit verschiedenen Ausstellungsstücken [obskure Gegenstände?] beschäftigt. Auf einem Regal steht ein ausgestopftes Minikrokodil. Als Rick seinen Finger in das Maul steckt, schnappt das Tier zu und steckt an seinem Finger. Irritiert versucht er, das Anhängsel wieder abzuschütteln.

Die Szene wechselt zurück zu Alex und Poldini am Schreibtisch.

Poldini: "Nehmen wir einmal an, der logische und planende Intellekt des Menschen ist ein strahlendes Licht..."

Ein Scheppern im Hintergrund bringt die Aufmerksamkeit auf Rick, der damit beschäftigt ist, sich von dem ausgestopften Krokodil an seinem Zeigefinger zu befreien. Er hat eine Porzellanfigur einer Galapagos-Schildkröte zerdeppert.

Poldini: [setzt Satz leicht verärgert fort] "...in gewissen Fällen auch weniger strahlend..."

Alex: "Und weiter?"

Poldini: "Wenn man sich geistige Aktivität - und ich spreche nicht von bewußtem Denken allein - als ein Licht vorstellt, dann sind wir auf dieser Welt umgeben von einer Hierarchie, die von eben den Lichtern der Menschheit über die Fackeln der größeren Tiere und über die Kerzenflämmchen kleinerer Tiere bis hin zu den Glimmpunkten von Insekten und Co geht. Stell dir dieses Bild geistig vor. Was haben wir dann?"

Alex: [achselzuckend] "Einen ziemlich großen Weihnachtsbaum?"

Poldini: [lacht] "Ja. Das ist gut. Das ist..." [Denkpause, leise] "...das klau ich mir für mein nächstes Buch..."

Er macht beiläufig eine Notiz.

Poldini: "Jedenfalls gibt es immer die geringe Chance, daß sich die Intensität jener Flamme bei einem Lebewesen vergrößern kann. Irgendwann geht bei einem Individuum einer Spezies quasi das hellere Licht an. Die Blase der instinktiven Weltanschauung wird illuminiert, sie platzt, sie macht den Weg frei für eine neue Art des Denkens..."

Alex grübelt über diese Aussage nach.

Die Szene wechselt in Alex´ Gedankenwelt. Wir sehen eine stilisierte und kitschfarbene Waldlandschaft, in der alle sichtbaren Tiere (diverse Vögel, ein Eichhörnchen, ein Fuchs, eine Waldmaus etc.) in Disney-esquem Cartoonstil gezeichnet sind und kleine, geometrische Flämmchen über ihren Köpfen tragen. Bei einem der Tiere leuchtet mit einem Pling-Geräusch die Flamme nun ein Stück heller auf und ändert die Farbe.

Poldini: [off-screen] "Sollte dies bei einem Tier durch den unwahrscheinlichen Zufall eintreten, hat es bessere Überlebenschancen. Es gibt die neue Entwicklung weiter an seine Nachkommen und diese wiederum und diese wiederum. Und es werde Licht..."

In der Fantasiesequenz flackern nun unzählige Flämmchen zwischen den Ästen und Bäumen hell auf. Das Bild wird dunkel und zoomt zurück und die erscheinenden Lichter wirken wie eine Galaxie oder ein Cortex. Das Bild zoomt noch weiter zurück und die Kamera zoomt aus Alex´ Augen raus zurück auf die normale Szene.

Sie schüttelt irritiert den Kopf.

Alex: "Aber schreiben sie in Ihren Büchern nicht über die Einzigartigkeit und das Potential des menschlichen Geistes, der sich eines Tages von allen Unmündigkeiten wie Vorurteilen, Religionen, Krieg etc. etc. befreien wird? Wie passt ihr Glaube an ein wirkliches Bewußtsein bei Tieren dazu?"

Poldini: "Aber sehr gut tut er das. Sind uns Tiere in ihrer Effektivität nicht gerade deswegen überlegen, weil sie ihre Ziele aus logischen und evolutionären Gründen verfolgen? Wenn ein Tier für seine Gruppe eintritt oder für sein Revier, wenn es lebt und strebt und sich entwickelt und meinetwegen auch kämpft, dann tut es dies für das Fortkommen seiner Spezies. Tiere tun Dinge nicht, weil sie glauben, ihr Gott und Schöpfer verlangt es von ihnen..."

Alex: [kritisch] "Aber Tiere bekämpfen sich doch gerade um Reviere und Resourcen, weil es ihnen ihre Instinkte sagen. Und sie tun dies so effektiv, weil ihnen Moral und Skrupel und letztlich das Bewußtsein der Menschen fehlen..."

Poldini: [winkt ab] "Der Mensch ist moralisch auch nicht unbedingt in einer Position, solche Werturteile zu fällen. Tiere töten nicht aus Spaß und Tiere töten nicht aufgrund von Mentalitäten und archaischen Büchern wie..."

Alex: [unterbricht] "Dieses ganze Argument hinkt doch irgendwie, oder?"

Poldini tippt nachdrücklich auf seinen Schreibtisch.

Poldini: "Sie sind in diesem Sinne durchaus freier, als eben ein Großteil der Menschheit. Tiere kennen vielleicht die biologische Unmündigkeit, zu einem großen Teil nach Instinkten leben zu müssen, aber sie mussten sich bisher nie von der Unmündigkeit befreien, in einer selbstgewählten Isolation unter den befehlenden Blicken der Götter zu leben..."

Alex: [nachdenklich] "Aber wenn bei einer Spezies irgendwann alle Lichter angehen, wie sie sagen - würden die Tiere dann nicht automatisch vermuten, daß es einen Schöpfer geben muss, der diesen Lichtschalter betätigt hat? Würden sie dann nicht wieder nur das große fliegende, rosafarbene Nagetier hinter Wolke 7 anbeten?"

Poldini: "Und sich ihre gerade erwachten Köpfe einschlagen ob der Frage, welches fliegende Nagetier mit welcher Schattierung von Fellrosa nun das einzig Wahre ist...?" [nickend] "Durchaus möglich..." [Pause] "Aber das könnte nur die Zeit zeigen. Es wäre in jedem Fall eine frische Chance..."

Alex wirft einen Seitenblick auf einen ausgestopften Fischotter in einem Regal.

Alex: "Wenn also nur ein einziges Tier menschlich wirkendes Verhalten zeigt, hat bereits der Beginn eines globalen Sprunges zu einer neuen, bewußten Spezies stattgefunden?"

Poldini: "Oh. Nein..." [Pause] "So einfach ist das nicht. Wir müssen Occams Razor ansetzen..."

Alex: [runzelt Stirn] "Die Annahme, daß die einfachste Lösung eines Problems auch die Richtige ist?"

Poldini nickt und blickt Alex wartend an.

Alex: "Auf unser Nagetierproblem bezogen, heißt das also, daß wir zuerst in Betracht ziehen sollten, daß jedweder Eindruck von menschlich wirkender Intelligenz stets auf anthropomorphem Wunschdenken beruhen kann, auf menschlicher Interpretation, auf kopiertem Verhalten wie im Fall des Nickens. Daß all das die einfachere Lösung wäre, anstatt konkret anzunehmen, daß wir das Erwachen von Bewußtsein beobachten..."

Poldini: "Korrekt. Wir müssen erst all diese einfacheren Erklärungen ausschließen. Bei dem kleinen, aber durchaus signifikanten, Prozentsatz, der dann noch übrig bleibt, sollten wir unsere Untersuchungen ansetzen..."

Alex: [nickt]: "Also ist es faktisch unmöglich, daß ausgerechnet hier in Bruchbach, Gartenweg 25, 1. Stock, im Wäschekorb von Mike Keller, zwischen seinen alten Socken, ein Tier sitzt, dem sich die Geheimnisse des bewußten Denkens erschlossen haben?"

Poldini: [korrigierend] "Faktisch grob unwahrscheinlich...aber nicht gänzlich auszuschließen." [amüsiert] "Oder ist dir noch nie aufgefallen, daß gerade in dieser Stadt oft die unwahrscheinlichsten Ereignisse eintreten?"

Alex: [leicht irritiert] "Ja. Den Eindruck habe ich auch ab und zu..."

Poldini mustert Alex und zuckt dann mit den Achseln.

Poldini: "Warum versuchen Sie eigentlich so vehement zu beweisen, daß Ihr Freund Unrecht hat?" [Pause] "Treten Sie nicht seit Jahren für den Schutz von Tieren aller Art ein?"

Er hält eine Zeitung mit einer humoristischen Schlagzeile über eine kürzliche Aktion von Alex hoch.

[Schlagzeile hier]

Alex: "Ja. Schon. Weil es eine moralische Verpflichtung ist, für das Leben an sich einzutreten. Weil ein Wald und eine Wiese und alles darauf Rechte haben, die über dem Kommerz und der Ausbeutung liegen..." [Denkpause] "Aber bei Mike hat das nichts mit Glauben an den Schutzwert der Natur zu tun. Die Natur ist ihm doch im Moment egal. Es ist nur wieder eine seiner fixen Ideen..."

Poldini: [fragend] "Und das ist wirklich alles?"

Alex: [zögernd] "Naja. Ich hatte als Kind mal ein unschönes Erlebnis mit...Ratten." [Pause] "Das blieb irgendwie hängen."

Poldini mustert Alex erneut, beschließt aber, das Thema nicht weiter zu verfolgen.

Poldini: "Es gibt übrigens ein relativ deutliches Kriterium zur Feststellung von Bewußtsein oder zumindest von fortgeschrittenen Vorstufen..." [Pause] "...und zwar den Spiegeltest..."

Alex: [fragend] "Spiegeltest?"

Poldini: "Es gibt zum Beispiel verschiedene Papageien, die in Experimenten bewiesen haben, daß sie sich ihrer Umwelt und auch in gewissem Maß sich selbst bewußt sind. Sie können zählen, Gegenstände erkennen, Wünsche und Ablehnungen von der Ich-Warte aus äußern. Die Tests sind teilweise unschlüssig wegen der Interpretation, aber durchaus interessant." [Pause] "Es gibt aber einen Test, bei dessen Bestehen die Vögel bisher große Schwierigkeiten haben: den Spiegeltest..."

Er klopft demonstrativ auf die spiegelnde Oberfläche seines Schreibtischs.

Poldini: "Papageien können sich nicht selbst im Spiegel erkennen. Sie haben zwar auf der einen Seite die Fähigkeit, mit der menschlichen Sprache im Ich-Bezug zu sprechen, können ihr Ich auf der anderen Seite aber nicht weit genug nach außen projezieren, um zu erkennen, daß ein Spiegelbild eben kein anderer Artgenosse, sondern nur ihre eigene Reflektion ist. Ein interessantes Paradoxon - wenn man darüber nachdenkt." [Pause] "Es ist, als ob im Moment nur in einem Teilbereich Licht vorhanden ist und die Erkenntnisfähigkeit des Spiegelbildes noch in einem Ei schlummert. Um es mal so auszudrücken..."

Wir sehen Rick im Hintergrund, der mit dem Krokodil am Finger vor einem Spiegel steht und den Taxi Driver macht.

Rick: [zu Spiegelbild] "Was willst du? Guckst du mich an? Willst du Stress? Ich hau dir gleich mein Krokodil um die Ohren..."

Alex: "Was zum Geier machst du da?"

Rick: [achselzuckend] "Ich gebe euch visuelle Unterstützung zu eurem Gelaber. Ihr solltet mir dankbar sein..."

Alex benutzt die Unterbrechung als Ausrede für den Aufbruch. Die Antworten des Professors haben ihr bei dem Problem mit Mike offensichtlich nicht weitergeholfen.

Alex. "Wir müssen dann weiter. Vielen Dank. Die Sache mit Mike und seinem Haustier werde ich morgen klären..."

Poldini: "Sollten sich die kognitiven Fähigkeiten seiner Miss Halsey als ungewöhnlich herausstellen, werde ich gerne einen näheren Blick auf das kleine...Lebewesen werfen."

Alex: "Und Mike noch mehr in seinem Glauben bestärken...?" [winkt ab] "Lieber nicht..."

Alex öffnet die Tür nach draußen und Poldini blickt wieder nach drüben auf seine Schrankwand ausgestopfter Tiere.

Poldini: "Wir sollten uns auch noch etwas anderes fragen: wenn wir erkennen würden, daß Ratten emotionalen Schmerz fühlen, daß Kühe Angst haben, daß eine Mutterkuh Trauer und Einsamkeit fühlt, wenn sie von ihrem Kalb getrennt wird, daß ein Huhn den Unterschied zwischen Freiheit und Kerkerhaft kennt...was würde das für die Moral der Menschheit bedeuten?"

Alex denkt kurz nach und nickt dann schweigend.

Rick: [zögernd] "Herr Doktor. Kurze Diagnose bitte: ich habe hier so ein beissendes Gefühl am Finger..."

Der Professor greift an das Krokodil an Ricks Hand und drückt an der Unterseite des Kopfes. Der Kiefer schnappt auf und Rick zieht seine Hand wieder raus ("Danke...").

Nachdem Alex und Rick gegangen sind, scheint der Professor über etwas nachzudenken und spannt dann lächeln ein Blatt in die Schreibmaschine. Als er geschrieben hat, lesen wir eine Buchtitelseite mit der Aufschrift:

Der kognitive Weihnachtsbaum

Copyright by Dr. Gerhard Poldini

Er lehnt sich zufrieden zurück.

Dann bemerkt er ein großes Bild von Charles Darwin an der Wand, daß ihn verärgert anzusehen scheint.

Poldini: [zu Bild] "Nun guck nur nicht so tadelnd. Du hattest auch deinen Alfred Russel Wallace..."

Die Szene wechselt zu Alex und Rick, die zurück auf der Straße sind.

Alex: "Morgen vormittag werden wir das Tier wieder freilassen und Mike den ganzen Miss-Halsey-Kram ausreden, okay?"

Rick: [wenig begeistert] "Von mir aus..." [Pause] "Soll ich vielleicht schon etwas früher zu ihm gehen und mit ihm reden?"

Alex: [nickt] "Gute Idee..."

Die Szene wechselt zum nächsten Tag. Alex betritt Mikes Zimmer und stellt fest, daß niemand dort. Ein Zettel für sie liegt auf dem Schreibtisch. Alex liest den Zettel und zerknüllt ihn dann verärgert.

Alex: [sauer] "Ganz schlechte Idee..."

Sie läuft nach draußen.

Die Szene wechselt zu einer Montage, untermalt von "Happy Together" von den Turtles. Wir sehen Rick und Mike, die quer durch Bruchbach hinter Miss Halsey herlaufen und dabei allerlei Unfug anstellen. Erstaunlicherweise wartet Miss Halsey an Kreuzungen und Weggabelungen immer wieder auf die beiden, was von Mike jedesmal mit einem Leckerli belohnt wird.

Auf diese Weise lösen sie Chaos in der Eisdiele der Stadt aus, bei einer Parade der Pfadfinderinnen (die ihr Banner "Wir lieben alle Tiere auf der Welt" beim Anblick von Miss Halsey weniger genau nehmen) und laufen noch dem Bürgermeister von Bruchbach über den Weg, der seinem Kollegen aus Ventenburg zeigen will, wie normal seine Stadt nun geworden ist. Schnell ist eine ganze Gruppe von Leuten mit Besen, Knüppeln und Fackeln hinter Rick, Mike und Miss Halsey her.

Mit dem Ende der Montage klingt die fröhliche Musik aus und die beiden erreichen offenbar ihr Ziel ohne Verfolger. Miss Halsey klettert an Mikes Bein hoch und verschwindet in seiner Manteltasche.

Vor Rick und Mike ragt drohend das Gebäude auf, zu dem sie die Ratte scheinbar führen wollte. Es ist Maybachs Tortenfabrik. Mike blickt nach unten auf ein Kellerfenster, in dessen Scheibe ein Loch in etwa Rattengröße zu sehen ist.

Mike: [jubelt] "Das muß es sein. Da unten finden wir ihre Familie..."

Rick: [dezent sarkastisch] "Dann gehen wir jetzt einfach dort rein, fragen den nächstbesten Wachmann, wo es in den Keller geht und fragen dort unten wiederum, ob jemand im hochreinen Lagerbereich unsere kleinen Rattenfreunde gesehen hat...."

Mike: "Klingt gut..." [Pause] "Da gibt es nur ein kleines Problem..."

Rick: [deutlicher sarkastisch] "Tatsächlich? Welches?"

Mike: [deutet] "Wir haben in dem Laden Hausverbot..."

Er deutet auf ein großes Plakat neben der Eingangstür, auf dem Rick und Mike mit Foto Hausverbot erteilt wird.

[Text für schräges Hausverbot-Plakat]

Rick: [gelangweilt] "Pffft. Immer noch wegen der alten Sache? Da kräht doch heutzutage kein Hahn mehr danach..."

Er sieht sich grübelnd um. Miss Halsey steckt ihren Kopf aus Mikes Manteltasche und schnüffelt in die Luft.

Mike: [freudig] "Ich glaube, sie merkt, daß sie schon nahe bei ihrer Familie ist..."

Rick: "Entweder das, oder sie hat wieder in deine Taschen gekackt und braucht jetzt Frischluft..." [lacht]

Ein ärgerlicher Blick von Mike zeigt Rick, daß dieser nicht in der Stimmung für Scherze ist.

Rick: "Okay. Okay. Ich habe...einen Plan..."

Die Kamera schwenkt zur Seite auf einen Haufen alter, blauer Mäntel in einem Kleidercontainer neben der Fabrik.

Die Szene wechselt zum Pförtnerbüro.

Rick und Mike betreten in einer Verkleidung mit blauen Mänteln und falschen Schnurrbärten das Pförtnerbüro. Ein ziemlich finster dreinblickender Kleiderschrank von Pförtner mustert die beiden ärgerlich.

Rick: [mit Schweizer Akzent] "Gruetzi. Wir bringen die bestellte Sonderlieferung frischer Bergmilch für die Sacher Torten, odrr?"

Pförtner: [skeptisch] "Von einer solchen Bestellung ist mir nichts bekannt. Woher kommt diese Lieferung?"

Rick: [grübelnd] "Jaaaaa. Aus dem hübschen Schweizer Bergland Tirol. Vom großen und bekannten Milchbauern..."

Pförtner: [macht Notiz] "Und wie heißt der Milchbauer?"

Rick: [ohne Akzent]: "Öhm. Wie der heißt? Äh..." [lange Pause] "Hans. Bauer Hans heißt der..."

Pförtner: [ungeduldig] "Bauer Hans...und der Nachname?"

Rick: "Ähm. Hans...Hans Olo."

Der Pförtner notiert den Namen nickend.

Pförtner: [freundlich] "Na also. Es geht doch. Muß alles seine deutsche Ordnung haben..." [vertraulich] "Letzte Woche wollte doch hier glatt so ein schmuddeliger Ostblockfahrer rein, der in seinen schmutzigen Schuhsohlen noch tote Ameisen kleben hatte. Sowas kommt unter meinem wachen Blick natürlich nicht in unseren Hygienebereich..."

Rick: [übertrieben, wieder mit Akzent] "Schockierend, odrr?"

Er sieht Mike an, der aber mehr damit beschäftigt ist, strampelnde Bewegungen in seiner Manteltasche zu unterbinden.

Rick und Mike grinsen sich siegessicher an, wobei Rick seinen Schnauzbart verliert. Der Pförtner späht suchend nach draußen vor seine Glasscheibe. Die Straße ist leer.

Pförtner: [freundlich] "Gut, meine Herren. Nur eines noch: wo ist die Milch, die sie uns liefern?"

Rick und Mike sehen sich erstaunt grübelnd und rumdrucksend an. ("Ähmmm. Die Milch? Jaaa. Ähhh. Hmmmm?")

Rick wühlt lange in seinen Manteltaschen herum und zieht schließlich eine zerdellte Dose Kondensmilch heraus, die er dem Pförtner hinhält. Auf die zerdellte Dose hat jemand mit schwarzem Textmarker PIPI-BOX gekritzelt.

Der Pförtner sieht beide verärgert an und späht dann nach drüben aus das Hausverbots-Plakat. Er steht drohend auf.

Die Szene wechselt zu Rick und Mike, die wieder vor der Tür auf den Stufen sitzen. Rick reibt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Hintern und zuckt dann mit den Achseln.

Rick. "Naja. Es hätte funktionieren können..."

Miss Halsey springt fiepend aus Mikes Manteltasche und läuft nach hinten in die Büsche. Als ihr Mike nachfolgt, entdecken er und Rick eine rechteckige Klappe im Boden. Sie läßt sich problemlos öffnen. Rick kniet sich hin und schnüffelt.

Rick: [schnüffelt in die Öffnung] "Kirschsahne..." [schnüffelt] "Bisquitboden..." [schnüffelt] "Mandarinen-Käse-Schnitte, aktueller Sonderpreis im Tiefkühlfach: Fünf Euro Neunundneunzig..."

Mike: [freudig] "Du meinst, da unten geht es in die Tortenfabrik?"

Rick: [winkt ab] "Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen..."

Mike: [drängt] "Was ist? Steigen wir runter?"

Rick wirft einen skeptischen Blick auf das quadratisch gähnende Loch.

Rick: [skeptisch] "Meh. Ich weiß nicht. Wenn da unten nun ein Grue frei rumläuft..." [entsetzt] "...oder sogar Ratten?"

Mike sieht ihn erstaunt an.

Rick: [winkt ab] "Hups. Richtig. Die suchen wir ja..."

Ein Rascheln in den Büschen läßt Rick zurückspringen. Es ist Alex, die nicht sehr fröhlich aussieht.

Alex: "Da seid ihr zwei Knalltüten..." [Pause] "Es war irgendwie nicht schwer, dem Chaos zu folgen..."

Wir hören im Hintergrund Sirenengeheul.

Rick und Mike machen sich bereit, über eine Leiter in den Untergrund zu steigen.

Alex: "Was macht ihr da? Ihr könnt doch keine Ratte in die Tortenfabrik bringen?"

Rick: [lapidar] "Also wenn Mike recht hat, dann kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an..."

Alex sieht ihn tadelnd an.

Rick: "Hey. Ich bin nur hier, um diese Sache in geordnete Bahnen zu lenken..." [grinst] "Und falls dort unten wirklich Ratten sind, könnte man mit ein paar Fotos doch ein hübsches Erpresserbriefchen für den alten Maybach basteln. Hehehe..."

Alex: "Wo ist dein Fotoapparat?"

Rick: [grübelt kurz, dann achselzuckend] "Meh. Kein Plan ist perfekt..."

Alex steigt nach kurzem Zögern hinter den beiden her.

Nur der Besucherbereich des Kellers stellt sich als blitzend sauber und steril heraus. In den Nebengängen ist es eine ziemliche Müllkippe aus Rohren, flackernder Beleuchtung, unaufgeräumten Gerümpelzimmern voller Maschinen und Kartons, einige davon noch gefüllt mit Backzutaten, altem Obst und abgelaufenen Torten. Sahne und Teig quellen aus Kistenhaufen auf den Boden.

Der ganze Untergrund unter der Fabrik ist eine verlassene Lagerzone, die einen sehr labyrinthischen Eindruck macht. Viele Gänge enden an Wänden und die kleine Gruppe muß wieder umkehren. Wir sehen verschiedene Kamerablickwinkel, einige davon direkt von oben, als die Gruppe versucht, einen Weg zu finden. An einer Wand hängt ein Kalender vom März 1974.

Nach seinem anfänglichen Enthusiasmus scheint sich Mike nicht mehr besonders wohl im trüben Flackerlicht zu fühlen.

Mike: "Wir sollten wieder nach oben gehen. Miss Halsey ist viel lieber draußen, als hier unten..."

Alex: [kopfschüttelnd] "Mikey. Es ist eine Ratte. Die leben aus Prinzip gerne im Dunkeln..."

Mike: "Warum glaubst du, daß du von dem, was sie ist, darauf schließen kannst, was sie im Inneren denkt und fühlt?"

Alex: [kategorisch] "Wenn Tiere so denken können wie Menschen, warum beweisen sie es uns dann nicht in irgendeinem Test? Es müsste nur eine einzige Ratte in der realen Welt einen Test vorausschauend und mit erkennbarem Ich-Bewußtsein lösen  - voilá - die Menschheit würde ihre gesamte Spezies moralisch in einem anderen Licht sehen..."

Mike: [achselzuckend] "Vielleicht verhalten sie sich nur deshalb so, wie wir es von ihnen erwarten, damit wir sie in Ruhe lassen..."

Alex: [skeptisch] "Du meinst, damit wir sie weiter als Ungeziefer umbringen?" [kopfschüttelnd] "...was manchmal eben getan werden muss - so leid mir das ja tut..."

Mike: [nachdenklich] "Nein. Da stimmt irgendwas nicht. Du würdest sowas doch nie über irgendwelche anderen Tiere sagen..."

Alex bleibt stehen und blickt in den dunklen Gang.

Alex: "Es gibt gute Gründe, warum ich mich vor Ratten fürchte..."

Die Szene wechselt zu einer Rückblende.

Wir sehen die junge Alex (ca. 6 Jahre alt), die in der Nacht in ihrem Zimmer im Bett liegt. Ein laut raschelndes und krabbelndes Geräusch weckt sie auf. Das rumorende Geräusch kommt aus einer großen Holzkiste voller Spielsachen am anderen Ende des Zimmers. Alex schleicht sich auf Zehenspitzen zu der Kiste und öffnet langsam den Deckel. Die Szenerie taucht in rotes Licht.

In der Kiste sitzt eine fette Ratte mit übertriebenen Proportionen und rot leuchtenden Augen. Speichel tropft aus ihrem Maul, die gelben Zähne sind übermäßig lang und das Fell ist verschmiert mit Matsch und Blut. Sie trägt schwarze Stiefel an allen Pfoten und kaut auf einem Puppenkopf herum, von dem sie bereits das halbe Gesicht gefressen hat. Sie sieht Alex mit einem finsteren Grinsen an und sagt dann mit tiefer Stimme "Buh..."

Alex läßt den Deckel zuknallen und läuft schreiend weg. Als schattenhafte Gestalten sehen wir noch ihre Eltern auftauchen.

Ende der Rückblende.

Alex: "So war das damals..." [Pause, nachdenklich] "Zumindest erinnere ich mich so daran..."

Rick und Mike sehen sich an und zucken dann mit den Achseln.

Rick: "Wir haben keine Ahnung, wovon du sprichst..." [Pause] "Nur weil du hier für einige Sekunden den Grübelix machst, sollen wir jetzt wissen, an was du dich gerade erinnert hast?"

Mike: "Nur vom Zusehen kann man doch nicht wissen, was in jemandes Kopf gerade vorgeht..."

Alex wirft einen Seitenblick auf Miss Halsey auf dem Fußboden.

Alex: [nickt] "Stimmt. Da hast du wohl Recht. Mein Fehler..."

Miss Halsey läuft mit trippelnden Schritten voraus, Mike verschwindet hinterher im Dämmerlicht. Rick und Alex gehen weiter.

Rick biegt um eine Ecke und sieht vor sich im flackernden Licht eine verzerrte Gestalt wackeln.

Rick: [schreit] "Aaaaah. Ein Grue..." [Pause] "Ich hab es doch gewußt..."

Alex späht um die Ecke und geht dann langsam auf die weißliche Gestalt zu, die in seltsame Formen zu zerfließen scheint.

Alex: [laut] "Hallo...?"

Nach einigen Schritten wird für sie (und auch für den Zuschauer) ersichtlich, daß die Gestalt nur ihr eigenes Spiegelbild ist - verzerrt reflektiert auf einer schmutzigen und verschmierten Glastür im Gang.

Alex tritt näher an das Bild heran, daß nun zu einer dimmen Reflektion ihrer selbst geworden ist. Sie betrachtet nachdenklich die Oberfläche des Glases. Rick kommt hinzu.

Alex: "Ob es wohl so war, wie gerade eben, als der Mensch vor Urzeiten zum ersten Mal sein eigenes Spiegelbild erkannt hat? Quasi von einem Schritt auf den anderen die Erkenntnis? Als ob sich eine Blase in eine komplexere Welt geöffnet hat und die Furcht vor dem Unbekannten im Spiegel verschwand?"

Rick: [achselzuckend] "Also nochmal so ein Schreck und ich übernehme keine Garantie für meine Blase..."

Hastige Schritte nähern sich aus dem Dunkel. Rick versteckt sich hinter Alex. Es ist aber nur Mike, der freudig zurückkommt.

Mike: [freudig] "Stellt euch vor - wir haben Mr. Halsey und seine Familie gefunden..."

Alex: [wenig begeistert] "Na wunderbar..." [Pause] "Wieviele sind es? Zehn? Zwanzig?"

Mike: [druckst rum] "Also. Naja. Ich war beim Zählen noch nie so besonders gut. Du kannst das besser..."

Alex: "Warum nur beunruhigt mich diese Antwort?"

Ein lautes Knirschen, Rascheln, Trippeln und diverse, wenig appetitliche Geräusche aus der Dunkelheit sind die Antwort

Alex, Rick und Mike betreten einen großen, runden Lagerraum. Das Licht, daß vom Gang hereinfällt, wird in Hunderten kleiner schwarzer Augen an den Wänden reflektiert und für einen Moment sieht es so aus, als wäre die Wand von flackernden Lichtern bedeckt. Dramatische Musik spielt kurz an, als die Kamera in einem 3D-Schwenk komplett im Kreis herumfährt und uns zeigt, daß sich der ganze Raum mit Ratten gefüllt hat.

[Ende 2. Akt]

Alex hält kurz inne, gibt sich dann einen merklichen Ruck und betritt den Raum. Sie rümpft leicht angewidert die Nase. In der Mitte des Raumes liegt ein Haufen alter Tortenreste, Sahne und Füllung quellen aus den gestapelten Kisten. Zahlreiche Ratten wühlen sich durch den Haufen. Alle Tiere sehen identisch aus.

Miss Halsey mit der roten Schleife sitzt auf dem Boden und schleckt das Fell einer anderen Ratte ab, in dem Sahne klebt.

Mike: [freudig] "Oh. Sieh nur. Sie begrüßt ihren Mann..."

Alex: [kopschüttelnd] "Das kann nicht so bleiben..." [Pause] "Denkt doch nur an die Kinder..."

Mike: [deutet] "Warum? Die haben doch eine Riesenfreude..."

Er deutet auf einen Haufen junger Ratten, die sich um eine Tortenkiste balgen und teigverklebt sind.

Alex: [irritiert] "Ich meine Menschenjunge...ich meine...Kinder. Kinder, die oben Torten kaufen und gar nicht wissen, was hier unten in der Fabrik für ein Gesundheitsrisiko lauert..."

Für einen Moment scheint ihr Frühstück wieder nach oben kommen zu wollen und sie läuft nach draußen. Mike folgt ihr, während Rick in einer Ecke einen Milchautomaten entdeckt. Die Aufschrift "1 Glas nur 30 Pfennig" scheint ihn nicht zu erschrecken und mit einem kräftigen Schlag gegen die Seitenwand des Automaten zieht er sich ein ziemlich schmuddelig wirkendes Glas Milch.

Mike hat Alex inzwischen eingeholt. Sie ist kreidebleich und steht neben einer Art von Sprechgerät an der Wand.

Alex: [zu Mike] "Hör zu. Wir können das nicht so belassen. Wir müssen jemandem Bescheid sagen. Vielleicht kann man es ja arrangieren, daß die Tiere soweit möglich lebend von hier weggebracht werden und..."

Es ist deutlich hörbar, daß sie den letzten Satz selbst nicht glaubt.

Mike: [erschrocken] "Was hast du vor?"

Alex: [bestimmt] "Man muß Tiere schützen. Alle Tiere. Aber man muß auch die Gesundheit von Menschen schützen. Und wenn dort oben kleine Kinder Zuckerstangen und Torten kaufen, ist hier unten kein Platz für Rattenbabies..." [Pause] "Sorry, Mike. Es ist leider so, daß das menschliche Wohl manchmal über das der Tiere gestellt werden muß..."

Rick kommt hinzu.

Rick: "Sagen das nicht auch die Betreiber gewisser Tierversuche, gegen die du ständig protestierst, zu ihrer Verteidigung?"

Alex will ihm rasch antworten, ihr fällt aber auch nach längerer Denkpause keine passende Antwort ein.

Alex: [sauer] "Wie kommt es nur, daß du meistens Unfug redest, mir aber ausgerechnet in den unpassendsten Situationen solche ethischen Fragebomben hinschmeißt?"

Rick: [achselzuckend] "Weiß nich..." [Pause] "Schlechtes Karma auf deiner Seite?"

Alex greift sich das Sprechgerät im Plastikdesign eines fröhlich lachenden Kuh-Kopfes und drückt die Sprechtaste.

Alex: [in Sprechgerät] "Hallo. Hallo. Hört mich jemand. Hier ist der...Keller. Hier gibt es ein Hygiene...problem...hier ist...ein..."

Sie bricht den Satz ab, als sie bemerkt, daß sie sowohl Mike und Rick, als auch scheinbar ein paar der Ratten fast bittend anzusehen scheinen. Miss Halsey richtet sich auf ihre Hinterbeine und streckt ein Pfote wackelnd in die Luft.

Alex hält inne und schmeißt dann das Sprechgerät auf den Tisch. Sie geht kopfschüttelnd davon.

Alex: "Wißt ihr was?" [Pause] "Ich gehe heim. Seht doch selbst zu, wie ihr aus dem Schlamassel wieder rauskommt..."

Sie läuft murmelnd davon in den dunklen Gang. Mike und seine trippelnde "Eskorte" folgen ihr hinterher.

Rick bleibt allein zurück und nippt zufrieden an seinem Glas Milch.

Rick: [freudig] "Und somit sind die Probleme zur Zufriedenheit aller gelöst..." [zu sich selbst] "Gut gemacht, alter Knabe..."

Er klopft sich mit einigen Verrenkungen selbst auf die Schulter und will gerade gehen, als plötzlich eine krachende und barsche Stimme aus dem Sprechgerät zu hören ist.

Stimme: [zackig] "Wer spricht dort? Hier ist der Werkschutz. Was für ein Hygieneproblem? Erbitten Bericht..."

Rick: [zieht Grimasse] "Oh Oh..."

Die Szene wechselt kurz zu Alex und Mike. Alex will gerade die Leiter hinaufsteigen, die zurück zu der Bodenklappe führt.

Mike: [unsicher] "Was wirst du jetzt tun? Was sollen wir jetzt tun?"

Alex: [kopfschüttelnd] "Keine Ahnung. Aber wir können die Sache nicht so belassen..."

Sie steigt die Leiter nach oben und verschwindet durch die Klappe. Die Szene wechselt zurück zu Rick.

Rick hat inzwischen das Sprechgerät in die Hand genommen. Die barsche Stimme wiederholt die Frage.

Stimme: "Erbitten Bericht..."

Rick: [in Sprechgerät] "Äh. Hallo. Wir hatten hier eine...unbedeutende Knetmaschinenfehlfunktion. Alles wieder in Ordnung..."

Stimme: [kühl] "Wir schicken ein Reparaturteam..."

Rick: [in Sprechgerät] "Ähm. Negativ. Negativ. Wir haben hier ein Sahneleck. Großes Sahneleck. Vanillecreme überall..."

Stimme: [scharf] "Wer spricht dort. Identifizieren sie sich. Nennen sie Namen und Tortenfreunde-Hygienecode..."

Rick sieht sich grübelnd um und schüttet dann sein Glas Milch in das fröhliche Sprechgerät. Rauch und Funken steigen auf.

Rick: "War sowieso eine langweilige Unterhaltung...."

Die Szene wechselt zu Alex, die sich in der hellen Oberwelt grübelnd auf eine Bank gesetzt hat.

Sie sitzt neben dem fabrikinternen Ladenverkauf der Tortenfabrik und sieht zu, wie Familien und Kinder dort ein- und ausgehen und sich fröhlich Torten und allerlei Gebäck kaufen. Ein kleines Mädchen beißt in seine Gebäcktasche, Sahne quillt aus den Rändern. Für einen Moment flackert die Szene zurück zu den Rattenjungen, die sich in einem Sahneklecks auf dem Boden im Keller wälzen. Alex verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf.

Sie blickt einer Mutter mit Kind nach, die mit einer Tortenschachtel aus dem Laden kommen. Aus der Ritze des Deckels hängt etwas, daß wie ein langer, dünner Schwanz aussieht.

Alex: [laut] "Das ist zuviel..."

Sie läuft der Mutter nach und schnappt sich die Schachtel mit einer gemurmelten Entschuldigung weg. Als sie den Karton öffnet, gehört der "Schwanz" nur zu einer aufgerollten Schnecke aus rotem Weingummi, die Teil der "Happy Birthday"-Beschriftung ist. Mit bedröppeltem Gesicht gibt Alex die Tortenschachtel wieder zurück, die umstehenden Leute schütteln den Kopf.

Alex geht zur nächsten Telefonzelle und wählt eine Nummer.

Alex: [in Hörer] "Hallo. Hier ist Alex Dahl. Ich muß dringend mit Herrn Maybach sprechen..."

Dramatische Musik spielt kurz an.

Alex: [in Hörer] "Was? Nein. Es geht nicht um den Umweltzwischenfall letzte Woche in der Plastikfabrik..." [irritierte Pause] "Moment mal. Was für ein Umweltzwischenfall?"

Sie wiegelt hastig ab.

Alex: "Nein. Nein. Nicht auflegen. Ich will es ja gar nicht wissen..." [Pause] "Es geht um ein Problem in der Tortenfabrik..."

Die dramatische Musik setzt sich fort.

Die Szene wechselt nach unten in den Keller.

Alex kommt zurück und erklärt Rick und Mike, daß sie die Behörden informiert hat. Mike ist nicht sehr glücklich darüber und will nun versuchen, die Ratten davon zu "überzeugen", daß sie hier weggehen müssen, bevor "böse Menschen" kommen.

Er geht mit einem ärgerlichen Seitenblick auf Alex zurück in den Gang. Rick zuckt mit den Achseln und folgt ihm nach. Nur Miss Halsey bleibt kurioserweise zurück.

Während Alex auf Mike wartet, fällt ihr Blick auf Miss Halsey auf dem Boden. Diese sitzt vor einer Spiegelscherbe und sieht ihren Kopf an. Für einen Moment scheint es, als würde sie die "fremde Ratte" im Spiegel anschnüffeln und abschätzen.

Alex: [dreht sich interessiert zu der Szene]

Dann legt Miss Halsey den Kopf schief und späht auf das Spiegelbild. Hinter dem Ohr des Spiegelbildes klebt ein Klatsch Sahne aus dem Haufen alter Torten. Miss Halsey greift mit der Pfote hinten an ihr rechtes Ohr und schleckt die Sahne von der Pfote.

Alex: [starrt die Szene erstaunt an]

Als sich Miss Halsey umdreht und Alex bemerkt, zögert sie kurz und beginnt dann, fast demonstrativ am Boden rumzuschnüffeln.

Alex: [irritiert] "Lenk bloß nicht ab...." [kopfschüttelnd] "Ich habe dich gesehen..."

Sie dreht sich um und bemerkt erst jetzt, daß Mike hinter ihr steht. Er kratzt sich am rechten Ohr.

Mike: [immer noch sauer] "Was ist los?" [Pause] "Gehen wir? Ich will mit der Familie reden und Miss Halsey dabei haben..."

Alex: [grübelnd] "Ja. Gehen wir..."

Mike wirft Miss Halsey noch ein Stückchen Torte hin. Dann gehen alle in den dunklen Gang.

Alex: "Wo ist Rick?"

Mike: "Der wollte irgendwo ein Klo suchen gehen..."

Die Szene wechselt zu Rick, der in einer kleinen Rumpelkammer etwas Interessantes gefunden hat. Auf einem Regal stehen fein einsortiert insgesamt 9 Tortenschachteln.

Rick: [freudig] "Ich wußte es..."

Dann wendet er seine Aufmerksamkeit einer Reihe von Kippschaltern an der Wand zu. Als er diese nach einem kurzen Grübeln umlegt, springen knatternd und spotzend verschiedene alte Deckenventilatoren und Belüftungssysteme an. Funken fliegen aus den holprigen Systemen. Ein kalter Lufthauch weht durch die Gänge.

Die Szene wechselt zu Alex, die erstaunt bemerkt, wie die Ventilatoren anlaufen. Der Luftstrom bewegt ihre Haare.

Wir sehen einige der Ratten auf dem Boden, denen ebenfalls der künstliche Wind durch das Fell fährt. Sie schütteln sich irritiert und beginnen kreuz und quer zu laufen. Der Luftzug ist ihnen unangenehm. Alex will weitergehen, bemerkt aber Miss Halsey mit der roten Schleife, die in die andere Richtung läuft und in einem dunklen Seitengang des Kellerlabyrinths verschwindet.

Alex: [deutet] "Mike. Dein Haustier läuft weg..."

Mike ist bereits den Gang nach vorne verschwunden und Alex läuft achselzuckend Miss Halsey selbst hinterher. Nach ein paar Schritten findet sie diese auf einer Wegkreuzung sitzen. Miss Halsey blickt Alex mit großen Augen an und legt den Kopf schief.

Alex: "Komm schon..." [irritiert] "Und sieh mich bloß nicht so an..."

Über ihrem Kopf fängt einer der Ventilatoren ebenfalls knatternd an zu laufen und sendet eine scheppernde Vibration durch die Rohre. Staub und Rost rieselt. Alex geht einen Schritt nach vorne - und ein Blechrohr bricht aus der Verankerung und kracht ihr von hinten an den Kopf.

Alex geht K.O. und fällt in Zeitlupe auf den Boden. Miss Halsey macht erschrocken einen Sprung nach hinten. Das Bild wird undeutlich und verschwimmt.

Die Szene blendet in eine seltsame Fantasiesequenz mit CGI-Unterstützung, in der sich Alex selbst als schwebende Figur in einem großen, kuppelartigen Raum vorfindet. Sie dreht sich hastig im Kreis.

Alex: [mit hallender Stimme] "Wo bin ich?"

Der weite Raum wird eingeengt von schwebenden Blasen, die sehr dicht zusammenstehen. In den Blasen sehen wir verschiedene Dinge wie Nahrungsmittel (Käse, Brot, faules Obst etc.), außerdem verschiedenste Schattenrisse und Formen von Menschen und Händen, Körperteile anderer Ratten, nach Futter bettelnde Jungtiere, Katzen, Hunde, Mülltonnen, Ratten bei der Fortpflanzung und einiges andere mehr. Die Blasen sind scharf abgegrenzt und jede steht für sich.

Ein gleichförmiger Ton ist zu hören, der mal von dieser, mal von jener Blase gespielt wird, die kurz vibriert und aufglimmt. Alex dreht sich im Kreis, als ein anderer Ton zu hören ist. Ein melodisches und mehrstimmiges Lied scheint von irgendwoher aus der Dunkelheit hinter den Blasen zu kommen.

Es kommt Bewegung in die Sphären. Manche vibrieren im neuen Takt, andere schrumpfen, einige platzen in einem Regen aus kleinen Funken und Lichtern. An einer Stelle des Raumes scheint ein schwaches Licht hinter den Blasen hervor, die träge und langsam Platz zu machen beginnen. Alex schwebt in Richtung der freiwerdenden Stelle und hinein in das Glimmen.

Eine recht kleine und unscheinbare Blase mit weichen Rändern schwebt dort. In ihr sehen wir keines der vorherigen, schärfer umrissenen Objekte, sondern ein weiches Gebilde, daß irgendwie aussieht, wie eine Wolke vor blauem Himmel. Synapsenartige Verzweigungen "ploppen" aus der Blase und streben nach hinten weg in den weiten Raum. Ein unmelodischer Ton schrillt auf.

Alex: [laut] "Was soll das?"

Die Szene wechselt abrupt zu einem rechteckigen, weißen Raum mit Gitterwänden. Die Kamera zoomt zurück und wir sehen, daß sich Alex in einer riesigen, steril wirkenden, weißen Lebendfalle für Ratten befindet. Altmodische Miniaturmöbel füllen den Raum. Leises Trappeln, Rascheln und Quieken ist scheinbar unter allen Möbeln zu hören.

Alex zieht ein angewidertes Gesicht und versucht, sich die Hände an einem großen Wasserspender wie aus einem Hamsterkäfig zu waschen. Ein riesiger Tropfen bildet sich, tropft jedoch nicht auf ihre Hand, sondern schwebt als tellergroße Kugel im Raum. Als Alex in die wasserartige Kugel blickt, sieht sie sich wiederum im selben Raum, nur an anderer Position.

Die Kamera zoomt in den Tropfen und dies wird zur neuen Realität. Alex sitzt mit angewinkelten Beinen auf einem Bett. Vor ihr im Raum steht ein riesiges, rechteckiges Stückchen gelber Löcherkäse. Im Hintergrund steht ein großer Biedermeier-Spiegel. Als sie nach unten blickt, sitzt Miss Halsey zu Füßen des Käseblocks und blickt diesen mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Der Spiegel im Hintergrund zerspringt mit einem schrillen Knirschen.

Die Szene wechselt wieder abrupt zu einer Dunkelblende. Wir hören im Hintergrund leise die ersten Klänge von "Also Sprach Zarathustra", während sich im Dunkel die halbkreisförmige Silhoutte (scheinbar) der Erde aus dem Weltraum abzeichnet. Wir hören eine unbekannte, weibliche Stimme im Dunkel.

Stimme: [fröhlich] "Ich mag einen klaren Himmel..."

Das Bild wird heller und deutlicher und wir sehen, daß es nicht der Rand der Erde ist, sondern nur die Krümmung der Oberkante eines Abwasserrohrs in der Kanalisation. Unrat liegt herum. Der Blick schwenkt nach oben und wir sehen ein Gitter, durch das Tageslicht fällt. Wolken ziehen über den Himmel.

Alex öffnet abrupt die Augen und stellt fest, daß sie immer noch auf dem kalten Boden im Kellergang liegt. Sie reibt sich den Kopf und rappelt sich auf. Mike kommt angelaufen.

Mike: [besorgt] "Was machst du da? Schnell..." [er deutet] "Da kommen irgendwelche Männer durch den Gang..."

Alex: [rappelt sich auf] "Geh schon. Ich versuche sie erstmal aufzuhalten..." [Pause] "Viel Glück mit deinem...Plan."

Mike läuft nach hinten, muß sich aber zur Deckung in eine Nische drängen. Er stellt fest, daß auch Rick bereits dort ist.

Walter Maybach und zwei ziemlich seltsame Gestalten mit gewehrartigen Gegenständen treffen auf Alex.

Walter: "Sieh einer an. Fräulein Dahl." [sauer] "Ich glaube nicht, daß dieser Teil der Fabrik für Besucher freigegeben ist..."

Ein Scheppern und leises Trippeln ist aus der Dunkelheit der Nebengänge zu hören. Walter wendet sich laut und mit warnender Stimme in die umgebende Dunkelheit.

Walter: "Und ich hoffe doch sehr, daß hier keine weiteren Personen anwesend sind. Personen, die in diesem Gebäude Hausverbot haben. Ich würde ungern den Werkschutz und die Polizei rufen müssen..."

Er späht prüfend in die Dunkelheit.

Rick drängt sich neben Mike in die dunkle Ecke und beginnt damit, zur "Tarnung" irgendwelche Geräusche zu machen - zuerst Grillenzirpen, dann Froschquaken, dann eine Art von Hirschröhren und Hyänengeräusche.

Die beiden Kammerjäger lauschen erstaunt der seltsamen, akustischen Fauna in der Dunkelheit.

Kammerjäger 1: [vorsichtig flüsternd] "Ich glaube, du holst uns lieber noch die Spezialausrüstung, Heiner..."

Kammerjäger 2: [nickt] "Okay. Titaniummantelgeschosse und Co." [Pause] "Soll ich auch die Protonenpäckchen bringen?"

Kammerjäger 1: [genervt] "Realität, Heiner. Realität..."

Kammerjäger 2: [enttäuscht] "Ach ja..."

Die beiden nicken sich nach einem komplizierten Handschlag zu. Die "Dragnet"-Musik spielt kurz an.

Alex: [leise] "Sind die beiden Typen wirklich vom Gesundheitsamt?"

Walter: [winkt ab] "Gesundheitsamt? Wir wollen doch nichts überstürzen." [Pause] "Ich habe nach ihrem Anruf zuerst zwei Experten zu Rate gezogen, die mir mit...ähm...ausgezeichneten Referenzen bekannt sind..."

Kammerjäger 1: "Danke, Onkel Walter..."

Rick ist inzwischen beim Geräuschspektrum eines Narwals angekommen, als ihm Mike eine auf den Hinterkopf haut, um für Ruhe zu sorgen. Miss Halsey springt auf Ricks Schulter und imitiert die Geste.

Rick: [jammert] "Aua. Unfair. Zwei gegen einen..."

Die Szene wechselt zurück zu Alex und Walter Maybach im beleuchteten Hauptgang.

Walter: "Nun, Fräulein Dahl. Sie haben uns angerufen. Wo ist das Hygiene-Problem? Wie sieht es aus? Wie wird es eliminiert?"

Das letzte Wort erinnert Mike an seine Mission und er sprintet los.

Während die Schritte und Gesprächsfetzen im Hintergrund leise zu hören sind, sehen wir wie Mike in den runden Raum läuft, in dem scheinbar alle Ratten versammelt sind. Er baut sich zur Ansprache auf.

Mike: [laut] "Freunde. Tiere. Mitbürger. Hört mir bitte zu..."

Das Rascheln und Trippeln im Raum hört abrupt auf.

Mike: "Ich bitte euch: geht weg von diesem Ort. Ich weiß, daß es hier Frieden und Futter für alle gibt, aber die Menschen sind durch eure Gegenwart in Gefahr. Oder glauben dies zumindest. Alex macht sich zuviele Sorgen und ich will nicht, daß sie sich zuviele Sorgen macht..." [Pause] "Sucht euch bitte einen anderen Ort zum Leben. Damit beweist ihr, daß ihr mir zugehört habt. Dann könnt ihr noch euren Enkeln erzählen, daß ich recht hatte und Alex im Unrecht ist. Ist das nichts...?"

Er wendet sich Miss Halsey mit der roten Schleife zu.

Mike: "Miss. Sag deinen Leuten, daß ich recht habe, ja?"

Miss Halsey sieht ihn mit schrägem Kopf an und verschwindet dann in der Dunkelheit. Mike winkt mit traurigem Gesicht. Ein Luftstrom kommt mit dem Geräusch knatternder Ventilatoren von hinten in den Raum und bläst seine Haare nach vorne.

Plötzlich beginnt überall ein lautes Rascheln und Trippeln an den Wänden und Schächten. Ein allgemeiner Aufbruch scheint im ganzen Raum einzusetzen. Mike blickt sich jubelnd um und streckt die Arme nach oben.

Mike: [laut] "Danke. Ich danke euch allen..." [leise] "Mach es gut, Miss Halsey. Und hüte dich vor den Menschen..."

Die trippelnden Schritte werden leiser und klingen ab. Mike lässt den Kopf hängen.

Die Szene wechselt zurück zu Alex und Walter Maybach im Hauptgang. Alex versucht, Zeit zu schinden.

Alex: [nachdenklich] "Das Problem ist....es ist...."

Sie blickt in die Dunkelheit, in der plötzlich viele kleine Flämmchen und Leuchtpunkte aufzuflackern beginnen. Alex reibt sich die Augen und es ist wieder normale Dunkelheit im Seitengang.

Alex: [mit ärgerlicher Stimme zu Walter] "Das Problem ist...das man ja nur irgendeine Geschichte erzählen muß, in die eventuell irgendwelche unschuldigen Tiere verwickelt sein könnten. Nur theoretisch. Und schon taucht das Großkapital auf und bringt seine expertengeschulten Vernichtungsschergen gleich mit..."

Kammerjäger 1: [zu Kollegen] "Du. Ich glaube, die meint uns..."

Kammerjäger 2: [freudig] "Uiii. Danke schön..."

Walter: [sauer] "Was soll das alles bedeuten?"

Alex: "Daß es hier überhaupt kein Hygieneproblem gibt..." [leise] "Zumindest keines, das nicht von Menschen gemacht ist. Es war nur ein Test, um zu sehen, wie hier auf solche Meldungen reagiert wird." [triumphierend] "Hah. Reingefallen..."

Walter: "Es war also falscher Alarm?" [skeptisch] "Da stimmt doch irgendetwas nicht..."

Alex: [fordernd] "Ganz recht. Vielleicht möchten die Herren dennoch einen Blick auf den Lagerbereich dort hinten werfen. Wie üblich müsste die Sachlage dann auch mit Fotos dokumentiert werden. Das bringt Aufmerksamkeit. Und was ist überhaupt mit dem Zwischenfall in der Plastikfabrik letzte Woche?"

Walter sieht sich mit finsterem Blick um.

Walter: [unsicher] "Nun, meine Herren. Wie es aussieht, war alles falscher Alarm. Sie werden hier nicht gebraucht..."

Kammerjäger 2: [laut, heroisch] "Nun denn. Zurück zu EKTO 1..."

Kammerjäger 1: "Du meinst: schleppen wir unseren ganzen Krempel wieder zur Bushaltestelle und warten auf Linie 4?"

Kammerjäger 2: [enttäuscht] "Ja..."

Während sich die beiden schrägen Vögel wieder auf den Weg machen, kommt Walter nochmal zu Alex. Er ist stinkesauer.

Walter: [sauer] "Ich hätte es wissen müssen. Sie verhalten sich doch immer so, wie man es erwartet..." [deutet auf Uhr] "In fünf Minuten sind Sie hier verschwunden oder ich schicke den Werkschutz runter..."

Ein arg gekünstelter Eulenruf ist aus der Dunkelheit zu hören.

Walter: [laut] "Und nehmen Sie ihren verdammten Zoo mit..."

Er rauscht kopfschüttelnd ab. Mike und Rick tauchen wieder auf.

Mike: [zu Alex] "Danke. Im Namen aller Beteiligten..."

Alex: [nickt] "Schon gut. Nachdem ich jetzt diese Riesendummheit gemacht habe: was geschieht nun weiter?"

Mike: "Nichts mehr. Unser Problem ist gelöst..."

Er deutet nach hinten in die Dunkelheit. Es ist kein Geräusch außer dem Rattern der alten Ventilatoren zu hören.

Mike: [triumphierend] "Ich habe sie gebeten zu gehen. Sie sind alle gegangen..."

Die Szene wechselt zu Alex, die irritiert in dem großen runden Raum steht. Keine Ratte ist mehr zu sehen, die Tortenkisten liegen einsam und verwaist auf dem Boden.

Alex: [stirnrunzelnd] "Das ergibt keinen Sinn. Warum sollte ein Tier einen Ort verlassen, der mit Nahrung überquillt...?"

Mike: [grinsend] "Ganz recht. Warum?"

Die Szene wechselt nach oben. Alex und Mike sitzen auf einer Parkbank im Stadtpark. Ein paar Sperlinge picken Körner auf, die auf dem Boden liegen. Alex wirft einen Seitenblick auf Mike.

Alex: "Bist du mir noch böse?"

Mike: "Weil du dir zuviele Sorgen gemacht hast?" [Pause] "Nein. Hättest du nicht die bösen Jungs gerufen, hätten dir Miss Halsey und ihre Familie nicht beweisen können, daß sie denken und fühlen wie wir..."

Alex blickt mit einem skeptischen Gesichtsausdruck aus die Sperlinge. Mike bemerkt dies.

Mike: [irritiert] "Was? Wir haben doch die Beweise gesehen, daß sie wirklich wie wir gedacht hat..."

Alex: [skeptisch] "Haben wir das wirklich?" [Pause] "Oder haben wir es interpretiert, wie wir es gerne gesehen hätten?"

Mike: [überzeugt] "Ich habe Miss Halsey darum gebeten, daß sie und ihre Familie gehen sollen. Und sie hat es getan." [Pause] "Du hast doch selbst gesagt: warum sollte ein Tier einen Ort voll mit Nahrung verlassen? Sie hat es für mich getan, weil ich sie und ihre Freunde freundlich darum gebeten habe..." [Pause] "Ist das denn nicht echte Menschlichkeit?"

Alex: "So mag es aussehen..." [nachdenklich] "Aber vielleicht gab es andere Gründe für die Ratten, den Keller zu verlassen?"

Mike: [winkt amüsiert ab] "Was sollten das für Gründe sein?"

Die Szene blendet kurz in Alex Gedanken. Wir sehen die von Rick eingeschalteten Ventilatoren im Keller und die Reaktion der Ratten auf den kalten Luftzug. Die Szene blendet zurück zur Realität. Alex blickt nach oben in den blauen Himmel. Eine weiße Wolke zieht langsam darüber hinweg. Alex zuckt mit den Achseln.

Alex: [zu Mike] "Keine Ahnung. Vielleicht hast du ja Recht..."

Sie steht auf und streckt sich energisch.

Alex: "Und jetzt habe ich noch einen Stoß Infoblätter für den Schutz der Waldameisen zu kopieren." [Pause] "Hilfst du mir?"

Mike: [verzieht Gesicht] "Ameisen? Bläh. Die krabbeln doch so..." [Denkpause] "Aber okay..."

Sie stehen auf. Die Kamera zoomt nahe auf den Boden und wir sehen auf einem Grashalm einen Marienkäfer sitzen. Alex macht nach kurzem Zögern einen großen Schritt, um nicht auf den Marienkäfer zu treten.

Die Kamera zoomt zum Marienkäfer. Dieser scheint für einen Moment irritiert zu sein, als der Schatten von Alex Schuh über ihn hinwegzieht. Er blickt einige Sekunden nach oben auf den Himmel und dann zurück auf seinen Grashalm. Er krabbelt davon.

Die Szene blendet aus.

Der Abspann läuft mit "Happy Together" als Musikuntermalung.